Jede Zeit hat bekanntermaßen ihre eigene Musik. Dass sich Geschichte immer auch in Verbindung mit Songs, Liedern und Kompositionen vollzieht, dessen sind sich die Initiatoren der neuen Ausstellung „Hits & Hymnen“ im Leipziger Zeitgeschichtlichen Forum bewusst: Sie haben einen deutsch-deutschen Soundtrack der Zeitgeschichte kreiert. Von Donnerstag an bis Juli 2024 ist er zu erleben.
Im Mittelpunkt der deutsch-deutschen Klangreise stehen legendäre Konzerte, populäre Hits sowie Künstlerinnen und Künstler. Zu sehen sind unter anderem Plakate, Plattencover, Videos und Dokumente sowie Kleidung und Bühnen-Outfits.
“Musik überwindet Grenzen”
„Bei den Recherchen haben wir nachgespürt, welche Wirkung Musik auf Politik hat“, sagt Kuratorin Tuya Roth. Gesellschaftliche Entwicklungen würden auch musikalisch begleitet. Die Kraft der Musik sei in verschiedenen Epochen genutzt worden. Sie überwinde Grenzen – auch politische. Songs stünden aber auch für ein Lebensgefühl, erinnerten an konkrete gesellschaftspolitische Ereignisse. „Hits und Hymnen“ haben die Studentenrevolte der 1968er Jahre ebenso begleitet wie die Zeit des Kalten Krieges.

Die Ausstellung nimmt mit rund 450 Exponaten das spannungsreiche Verhältnis von Musik und Politik seit 1945 in den Blick. Ob persönliche Notizen der DDR-kritischen Band „Renft“, ein Banner des Chemnitzer Anti-Rechts-Konzertes „Wir sind mehr“ 2018 oder ein Video vom Zapfenstreich für Angela Merkel 2021 – stets sind Musik und Zeitgeschichte miteinander verwoben.
Aufgegriffen werden in der musikalischen Präsentation verschiedene Genres: von Volkslied und Klassik über Rock und Pop bis hin zu Punk und Rap. Mit Nicoles „Ein bisschen Frieden“ oder Nenas „99 Luftballons“ sind Lieder zu hören, die auf beiden Seiten der Mauer präsent waren. Die Ausstellung rückt aber auch das erste DDR-Punkfestival 1983 in der Christuskirche Halle in den Blick, die regimekritischen Blues-Messen in Ost-Berlin und den einzigen Auftritt von Udo Lindenberg in der DDR – 1983 im Berliner Palast der Republik.
Lindenbergs Gitarre fehlt
Auf die berühmte gelb-orangene Gitarre von Panikrocker Lindenberg mit den Klebebuchstaben „Gitarren statt Knarren“ muss Leipzig allerdings verzichten. Zumindest ein Foto zeigt den besonderen Moment: Lindenberg überreicht die Gitarre 1987 in Wuppertal an DDR-Staatschef Erich Honecker. Das baugleiche Exemplar der Gitarre, das in einer ersten Präsentation von „Hits & Hymnen“ 2020 in Bonn zu sehen war, habe Lindenberg derzeit an ein anderes Museum ausgeliehen, sagt Kuratorin Roth. Das Original hängt in der „Panik City“ in Hamburg.
Dafür ist in der Leipziger Ausstellung die Lindenberg-Tour 1990 durch Ostdeutschland in Filmausschnitten zu erleben. Vorgestellt werden unter anderem auch die Ostrocker „Puhdys“ und die Leipziger „Prinzen“ um Frontmann Sebastian Krumbiegel, dessen zitatbehafteter Bühnen-Anzug von 2001 zum Song „Deutschland“ zu sehen ist.
Auch Rockstar Bruce Springsteen erfährt eine extra Würdigung. Sein legendäres Konzert in Ost-Berlin elektrisierte 160.000 Fans im Juli 1988. Die Ausstellung zeigt unter anderem eine selbstgebastelte Fahne von Besuchern mit der Aufschrift „Welcome Bruce. You are the Best“. Frenetischen Jubel gab es damals aber nicht nur für seine Musik.
Denn seine Rede bei einem der größten Konzertereignisse in der Geschichte der DDR war ebenso hochkarätig wie politisch brisant: „Es ist gut, in Ost-Berlin zu sein“, sagte Springsteen. Er sei nicht für oder gegen irgendeine Regierung: „Ich bin gekommen, um für euch Rock’ n’ Roll zu spielen, für euch Ost-Berliner, in der Hoffnung, dass eines Tages alle Barrieren umgerissen werden.“ Gut ein Jahr später fiel die innerdeutsche Mauer.