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“Gesichert rechtsextrem” – macht das Eindruck auf junge AfD-Wähler?

Ein Generationenforscher und eine Tiktok-Aktivistin sind sich einig: Mit Fakten sind viele der AfD-Wähler nicht zu erreichen. Dennoch müsse ihnen zugehört werden.

Fakten sind für bei AfD-Wähler nicht ausschlaggebend
Fakten sind für bei AfD-Wähler nicht ausschlaggebendImago / Lars Berg

Die AfD wird vom Verfassungsschutz als “gesichert rechtsextremistisch” eingestuft – das macht nach Einschätzung des Generationenforschers Rüdiger Maas allerdings kaum Eindruck auf junge Wähler. “Das wird von AfD-Wählern eher als weiterer Versuch angesehen, die Partei zu diskreditieren”, erklärte Maas im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Auch die Mit-Initiatorin der digitalen Bewegung “#reclaimtiktok”, Magdalena Hess, sagte der KNA: “Die Einstufung wird bei ihnen keinen Eindruck schinden. AfD-Wähler haben in der Regel kein Vertrauen in staatliche Institutionen, also auch nicht in den Verfassungsschutz.” Hess ist Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend.

Maas: AfD-Wähler objektivieren nicht

Maas und Hess sind der Meinung, dass die Einschätzung des Verfassungsschutzes vor allem bei den Nicht-AfD-Wählern Auswirkungen zeigen wird. “Man muss sich zum Beispiel der Frage stellen, ob AfD-Politiker nach wie vor in Talkshows eingeladen werden können”, erklärt der Generationenforscher. Laut Hess kann die Einstufung als “gesichert rechtsextremistisch” zudem für viele Menschen ein Anreiz werden, ins Handeln zu kommen. “Es ist aufrüttelnd und kann dazu führen, dass sich mehr Menschen trauen, Gegenpositionen zu beziehen. Denn Menschen mit anderen politischen Ansichten gegenüber tolerant sein zu müssen, das greift bei Rechtsextremismus nicht mehr.”

Maas ist Gründer und Vorstand des Augsburger Instituts für Generationenforschung, das eigenen Angaben zufolge unabhängig arbeitet. Das Institut hat vor kurzem eine Jugendtrendstudie vorgestellt, die Einstellungen von jungen Menschen zwischen 15 und 30 Jahren rund um die Bundestagswahl abfragte. Auffällig war laut Maas dabei die Erkenntnis, dass Wähler der AfD-Partei Dinge weniger gut objektivieren können. “Das war ein extremer Unterschied im Vergleich zu den Wählern anderer Parteien”, so der Forscher.

Befragte sollten unter anderem die Englischkenntnisse von AfD-Chefin Alice Weidel und der damaligen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) anhand von Schulnoten bewerten. Während beispielsweise Wähler der Grünen sowohl das Englisch von Baerbock wie auch von Weidel recht schlecht bewerteten (Noten von 3,9 bzw. 4,2), gaben AfD-Wähler Weidel für ihre Englischkenntnisse eine 2,5 und Baerbock mit der Note 5,7 ein “Ungenügend”. Laut Maas sprechen beide Politikerinnen kein besonders gutes Englisch.

AfD-Wähler: Fakten haben keine Auswirkungen

“Fakten haben keine Auswirkungen auf die Wähler der AfD”, sagt Maas. Die Erhebungen seines Instituts wiesen darauf hin, dass die Anhänger emotional mit Daten umgingen und an einem vorgefertigten Bild festhielten. “Sie hinterfragen lieber die Faktenlage als sich selbst”, sagt er. Es sei deswegen “totaler Unsinn” und zudem “geschichtsvergessen”, aber auch “gefährlich” die AfD politisch entzaubern zu wollen.

Die AfD hat über die Video-Plattform Tiktok mit fragwürdigen Aussagen vor allem junge Leute erreicht
Die AfD hat über die Video-Plattform Tiktok mit fragwürdigen Aussagen vor allem junge Leute erreichtImago / Guido Schiefer

Der Augsburger Generationenforscher berichtet davon, wie seine eigenen Mitarbeitenden für die Studie “mit viel Zeit und Energie” in das Gespräch mit den jungen AfD-Wählenden gegangen seien. Warum? “Um herauszufinden, wie sie zu erreichen sind.” Laut Maas ist der Schlüssel, ihnen zuzuhören, zu paraphrasieren was sie sagen und ihnen so klar zu machen, dass beispielsweise geschlossene Grenzen auch ihren Skiurlaub komplizierter machen und Waren, die sie konsumieren, teurer. “Sie sind nicht alle komplett rassistisch, denken aber, dass die AfD ihre Belange wahr und ernster nimmt.”

Forscher Maas: Parteien sollten Tiktok professioneller nutzen

Der Wissenschaftler ist überzeugt: “Man muss die Wähler der AfD mit ihren Unsicherheiten und Ängsten ernst nehmen, ihnen mehr Austausch ermöglichen und auch das Gefühl geben, ein Teil des Austauschs zu sein. Sonst verhärten sich die Fronten weiter.”. Die Politikerin und Aktivistin Hess ist zudem überzeugt, dass die Parteien der Mitte ihre Themen stärker in den Fokus stellen müssen. “Agenda-Setting ist ein wichtiger Schlüssel.” Aber auch Hess findet, dass Politik den Menschen vor Ort, besonders im ländlichen Raum, mehr zuhören und deren Probleme bearbeiten muss.

Hess hat vor der Europawahl im vergangenen Jahr miterlebt, wie sehr die AfD die Video-Plattform Tiktok erobert hatte und dort vor allem junge Leute erreichte. Inzwischen seien auch dank der “#reclaimtiktok”-Kampagne andere Parteien und Politiker dort aktiv und erfolgreich.

Laut Hess ist Tiktok ein Instrument, um Jugendliche auch außerhalb der Zentren, auf dem Land zu erreichen. Und um die ginge es: Gerade junge Männer aus ländlichen Regionen wählten die Partei, die nun als “gesichert rechtsextremistisch” vom Verfassungsschutz beobachtet werden darf.

“Die meisten Kommunal- und Landespolitiker haben einen Referenten für Pressearbeit, um etwa in den Regionalzeitungen vorzukommen. Die wenigsten haben aber einen Referenten für die Sozialen Netzwerke”, erklärt Hess. “Das wäre aber lohnenswert und sollte ausgebaut und professionalisiert werden.” Auch mittels Tiktok oder anderen Plattformen wie Instagram ließen sich Wähler adressieren und ihre Probleme ernst nehmen.