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Gelungene MDR-Doku zur Berichterstattung über Ostdeutschland

Die MDR-Produktion “Es ist kompliziert … – Der Osten in den Medien” rollt zum 35. Jahrestag der Einheit ein besonders Kapitel der Nachwendegeschichte auf. Der Film hat Schwächen – hätte aber trotzdem ins Erste gehört.

35 Jahre nach der Wiedervereinigung hat sich der Mitteldeutsche Rundfunk mit dem Osten und den Medien auseinandergesetzt. Das ist verdienstvoll und offenbart gleichzeitig die Kalamität des Unterfangens: “Den Osten” und “die Medien” gibt es nicht. Oder vielleicht doch?

Annett Friedrich und Christoph Peters von der in Berlin und Leipzig ansässigen Produktionsfirma Hoferichter & Jacobs blättern in “Es ist kompliziert – der Osten in den Medien” einen viel zu wenig beachteten Teil der jüngsten (gesamt-)deutschen Geschichte auf. Nicht erst mit dem “Beitritt” der DDR begannen auch für deren Medienlandschaft einschneidende Veränderungen. Dass die alten staatsparteilich gelenkten Medien – von den Bezirkszeitungen der SED über die weitaus weniger potenten Blätter der Blockparteien und Massenorganisationen bis zum DDR-Rundfunk – so nicht weiter bestehen bleiben konnten, war klar. Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Medien hatten schließlich zu den wesentlichen Forderungen der friedlichen Revolution gehört.

Doch was an unabhängigen Neugründungen in der Wendezeit aufgebaut wurde, hatte mit der Übernahme bundesrepublikanischer Verhältnisse keine Chance. Die Zeitungen wurden von der Treuhandanstalt ausnahmslos an große Westverlage verkauft, der bislang zentrale Rundfunk nach einer Übergangszeit gemäß den ARD-Strukturen föderal aufgeteilt. Das Führungspersonal kam fast ausnahmslos aus den alten Bundesländern.

Schon bald begann so die große Entfremdung, lautet die These der 90 Minuten-Doku. Denn während in der Bundesrepublik alt fast alles so blieb wie bisher, änderte sich in den neuen Ländern fast alles. Doch das Interesse des Westens am Osten erlahmte schnell – und schon bald begann die Erzählung vom “undankbaren Ossi”. Auch befeuert von den großen Titeln aus dem Westen, die fast ausschließlich auf die Themen “Rassismus, Geld, Nazis” ansprangen.

Das stimmt im Großen und Ganzen, ist vielleicht auch eine verständliche Antwort auf über 30 Jahre gefühltes Ignoriert-Werden – und bleibt doch zu holzschnittartig. Viele kluge Aussagen und Ansichten wie die der Medienwissenschaftlerin Mandy Tröger, die über den Ausverkauf der DDR-Zeitungslandschaft durch die Treuhand geforscht hat, wechseln sich mit weniger überzeugenden “Gimmicks” ab. Die von KI-generierten Bilder “typischer Ossis”, deren Grundlage die jeweils in den Medien zum Tag der Einheit am 3. Oktober erschienene Zuschreibungen und Begriffe sind, wirken so künstlich, wie sie sind. Auch warum der aus dem ARD-“Mittagsmagazin” bekannte MDR-Moderator Tino Böttcher in Krankenpflegerweiß als Presenter durch den Film führt, erschließt sich nicht so recht.

Dennoch lohnt sich das Anschauen, weil “Es ist kompliziert – der Osten in den Medien” einen Webfehler der deutschen Einheit klar sichtbar macht. Oder, wie es der aus dem Osten stammende “Zeit”-Journalist Christoph Dieckmann formuliert: “Der Osten muss lesen, was der Westen von ihm meint. Der Westen muss nichts lesen.”

Wobei das nicht an den Medien allein liegt, worauf Mandy Tröger gegen Ende des Films zurecht hinweist: “Man darf den Medien nicht zu viel Macht geben”, denn es seien weniger die Medien, sondern der politische und gesellschaftliche Diskurs, den diese abbildeten. Und auch hier gilt knapp 35 Jahre nach der eben nicht auf Augenhöhe erfolgten Wiedervereinigung: “Es ist eine komplizierte Geschichte”. Das zeigt sich vielleicht auch daran, dass dieses wichtige Thema nicht da läuft, wo es hingehört – auf einem prominenten Sendeplatz im Ersten, sondern “nur” in der Mediathek und beim MDR, im Osten.