Artikel teilen:

Gefragt und gebraucht

Die Krisen der vergangenen Monate haben gezeigt: Kirche wird als wichtige Institution wahrgenommen – gerade mit ihrer Botschaft der Hoffnung, so Präses Kurschus

BIELEFELD – Die Kirche ist in den gesellschaftlichen Herausforderungen der vergangenen Monate von vielen Menschen als bedeutsam wahrgenommen worden  – „für viele überraschend gefragt und gebraucht“, so die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus, in ihrem Bericht vor der Landessynode. Dabei sei es um den Kern der kirchlichen Botschaft und den christlichen Auftrag gegangen. Als Beispiele nannte die leitende Theologin den Flugzeugabsturz in den französischen Alpen und die sogenannte Flüchtlingskrise.
In der Öffentlichkeit sei Kirche in diesen Situationen mit dem wahrgenommen worden, „was sonst niemand sagt und tut“, so die Präses. Gerade das, was als anders, fremd und widerständig gelte, finde Gehör. So habe die Botschaft von dem Gott des Lebens angesichts des jäh hereinbrechenden Todes und menschlicher Schuld nach dem Flugzeugunglück eine wichtige Rolle gespielt. Mit ihrer biblischen Botschaft der Hoffnung, ihrer Liturgie als Halt im Chaos und ihrem Gebet als mögliche „Sprechrichtung“, wenn menschliche Worte versagen, sei der Glaube für viele Menschen Halt und Trost gewesen.
Handlungsfähig und für die Öffentlichkeit sichtbar werde die Kirche in solchen Situationen unter anderem durch ihre geregelten Strukturen, die sonst oft kritisiert würden, sagte Kurschus. Bei der Aufnahme der vielen Flüchtlinge durch Kirchengemeinden, kirchliche Institutionen und Ehrenamtliche habe sich die Kirche als Netzwerk erwiesen, das tief in die Gesellschaft hinein verknüpft sei. In der Versorgung und professionellen Beratung der geflohenen Menschen werde die Botschaft von der Nächstenliebe und der Gegenwart Christi im Fremden praktisch gelebt und nach außen anschaulich. Auch von der Politik sei die Expertise der kirchlichen Fachleute im Bereich der Migration und Integration geschätzt und gefragt, sagte Kurschus. Als ein Anliegen vertrete die westfälische Landeskirche mit ihrer waldensischen Partnerkirche in Italien etwa die Schaffung legaler Einreisewege für Migranten.
Die leitende Theologin kritisierte in diesem Zusammenhang die Behauptung, dass die große Anzahl der Flüchtlinge unvorhersehbar gewesen sei. Es sei eine Illusion, zu glauben, dass in einer globalisierten Moderne den Realitäten von „Gewalt und Ungleichheit und blanker Todesnot“ die Einreise verweigert werden könne. Die Überforderung von heute entspreche der Realitätsverweigerung von gestern, sagte Kurschus.
Die Präses regte außerdem an, eine der nächsten Hauptvorlagen, mit der sich die Landessynode beschäftigen wird, zum Thema Migration zu gestalten.
Als weitere Bereiche, in denen kirchliches Engagement in der Gesellschaft zum Tragen kommt, nannte Kurschus die Seelsorge im Maßregelvollzug, die Debatte um die Sterbehilfe, den Einsatz um Versöhnung zwischen den Völkern und den Kampf gegen den Klimawandel.
Die Synode der westfälischen Landeskirche tagt noch bis zum 20. November. Sie berät auf ihrer Sitzung unter anderem über die Zusammenarbeit der kirchlichen Berufe und wählt einen Nachfolger für den juristischen Vizepräsidendenten Klaus Winterhoff. leg