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Gebot der Menschlichkeit

Landeskirchen verabschieden erstmals gemeinsame Erklärung

HANNOVER/BRÜSSEL – Angesichts der Flüchtlingskrise wirbt die evangelische Kirche dafür, Schutzsuchenden legale Wege nach Europa zu eröffnen. Dies seien die wirksamsten Maßnahmen gegen die Gefahren der Flucht. „Wir fordern deshalb legale Wege für Schutzsuchende und begrüßen Diskussionen über ein Einwanderungsgesetz, das neue Zuwanderungsmöglichkeiten für Menschen auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben eröffnet“, schreiben die leitenden Theologen der 20 evangelischen Landeskirchen in einem Sechs-Punkte-Papier, das in Brüssel, Hannover und allen Landeskirchen veröffentlicht wurde.
In der Geschichte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist es das erste Mal, dass die Spitzenrepräsentanten aller Landeskirchen eine gemeinsame Erklärung beschlossen. „Mit dieser Erklärung wollen wir für unsere evangelischen Kirchen inmitten intensiver Debatten einen Beitrag zur Orientierung schaffen“, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.

Beitrag zur Orientierung

Europa müsse gemeinsam handeln und seinen humanitären Verpflichtungen gemeinschaftlich nachkommen, fordern die Leitenden Geistlichen. Menschen auf der Flucht vor Hunger, Verfolgung und Gewalt willkommen zu heißen und aufzunehmen, sei ein Gebot der Humanität und christlicher Verantwortung, argumentieren die Bischöfe, Kirchenpräsidenten und Präsides. Gegen menschenverachtende Schlepperbanden und mafiöse Strukturen müsse indessen mit polizeilichen Mitteln vorgegangen werden.
Bedford-Strohm, der das EKD-Dokument in Brüssel vorstellte, kritisierte unter anderem den neu errichteten Grenzzaun zwischen Ungarn und Serbien. Dieser Zaun sei „ein Konjunkturprogramm für Schlepperbanden“, sagte er. Es sei „völlig naiv zu glauben“, dass er verzweifelte Flüchtlinge zur Rückkehr in ihre Heimat bewegen werde, unterstrich er. Bedford-Strohm äußerte sich im Vorfeld eines Treffens mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, bei dem die Flüchtlingskrise ebenfalls im Mittelpunkt stand.
Zuvor hatte Bedford-Strohm Flüchtlingscamps in Ungarn und Serbien besucht. Für die Suche nach europäischen Lösungen biete er Juncker die Hilfe der Kirchen mit ihren Netzwerken in vielen Ländern an, sagte der EKD-Ratsvorsitzende. Ausdrücklich begrüßte er die Initiative Junckers für einen verbindlichen europäischen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge. Er habe Hochachtung vor dem Bemühen, in der Krise eine europäische Linie zu finden.
Vorschläge über eine europäische Liste „sicherer Herkunftsländer“ sehe er allerdings mit Skepsis, sagte Bedford-Strohm. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollen Asylanträge von Bürgern solcher Länder im Schnellverfahren bearbeitet werden. Die Brüsseler Behörde möchte sogar die Türkei in die Liste aufnehmen. Die Innenminister der 28 EU-Staaten haben dafür bisher jedoch keine Zustimmung gegeben.
In ihrem Sechs-Punkte-Papier, das in mehreren Sprachen veröffentlicht wurde, verweist die EKD auch auf Fluchtursachen wie Klimawandel, Kriege, Verfolgung oder den Zusammenbruch von Staaten. Darin sei auch die Bundesrepublik „tief verwickelt“ über globale Handelsbeziehungen, Waffenlieferungen und einen Lebensstil, der die Ressourcen der Erde verbrauche. epd