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Für ein menschenfreundliches Miteinander: Judith Kierschke

Es gibt diese Menschen, die aufstehen und losziehen, unerschrocken und furchtlos. Nicht immer wissen sie genau, wo der Weg genau hinführt, welche Gefahren und Hindernisse auf sie zukommen. So ähnlich ging es wohl auch den Hirten in der Weihnachtsgeschichte im Lukasevangelium. „Fürchtet euch nicht“, rief ihnen der Engel zu. Unerschrocken zogen die Hirten los zum verkündeten Heiland. Eine dieser Frauen ist Pfarrerin Judith Kierschke, die in diesem Jahr aufgebrochen ist, um etwas zu bewegen

Von Constance Bürger

Dass Geflüchtete friedlich integriert werden und nicht noch mehr leiden, ist für Judith Kierschke ein zentrales Anliegen. Dafür stieg die Pfarrerin aus Storkow Ende April auf eine Leiter – woraufhin die NPD Strafanzeige gegen sie stellte. Im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen Ende Mai hatte die Partei mit einem Wahlplakat geworben, das Martin Luther mit dem Ausspruch "Ich würde NPD wählen. Ich könnte nicht anders" zeigt. Eins dieser Wahlplakate hing auch vor dem Storkower Gemeindehaus. Es beherbergt die evangelische Kita und befindet sich gegenüber der Stadtkirche.  

Judith Kierschke nahm sich einen schwarzen Stift und schrieb "Garantiert nicht" und "Buuh" auf das Wahlplakat. Sie tat das mitten am Tag. Ein Passant machte ein Foto, schickte es an die NPD, die die Aktion veröffentlichte. Die Partei deklarierte die Pfarrerin als "kriminell" und zeigte sie an. Vor vier Wochen wurde das Verfahren gegen ­Judith Kierschke wegen Nichtigkeit eingestellt. Das von ihr beschriebene Wahlplakat wurde durch ein neues ersetzt. Unbekannte holten dieses jedoch wiederum bald vom Laternenpfahl. So ging es immer weiter. 

Die ausgrenzenden und menschen­verachtenden Positionen der NPD wollte die Pfarrerin nicht dulden. Kirche sollte mit diesen Wahlplakaten nicht von der NPD vereinnahmt werden, sagt sie. Die Positionen der NPD stimmten mit der Bibel nicht überein. Gegenüber dem Online-Nachrichtenportal "Moz.de" räumte sie damals ein, dass "die Form, in der ich meine Verärgerung ausgedrückt habe", der falsche Weg gewesen sei. Deshalb brachte sie Luthers 95 Thesen im Schaukasten der Gemeinde an. Die Überschrift dazu: "Warum ich nicht NPD wählen würde."

Die Pfarrerin hat viel Zuspruch für ihre Aktion erhalten. "Das gab mir Kraft", sagt Judith Kierschke. Kolleg*innen aus der Pfarrerschaft boten ihr an, Geld zu spenden, wenn es zum Gerichtsprozess käme. Judith Kierschke lebt seit 2014 in Storkow. Als damals immer mehr Flüchtlinge in die Stadt kamen, fand in der Kirche eine Bürgerversammlung statt. Die Anwesenden gründeten den Integrationsbeirat, Judith Kierschke wurde zur Vorsitzenden gewählt. 

Auch viele kirchenferne Menschen suchten nach der Sache mit dem Wahlplakat verstärkt ihren Kontakt, um das gemeinsame Engagement für ein menschenfreundliches Storkow zu intensiveren. So konnte zum Beispiel das Bündnis für ein tolerantes Storkow wieder reaktiviert werden. Es initiierte ein Plakat am Gemeindehaus mit der Aufschrift "Meine Lieblingsfarbe ist bunt".