Sommer 1955 in Paris: Nur gut drei Stunden hat die Fotografin Walde Huth Zeit, neue Mode-Kollektionen für deutsche Magazine zu fotografieren. Dann müssen die Models weiter zu den abendlichen Modeschauen. Dennoch entstehen in der kurzen Zeit meisterhafte Fotografien wie diese: Das Model Lucky präsentiert das Dior-Kleid aus schwarzem Samt mit üppigen Nylonrüschen. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen steht sie leicht nach vorne gebeugt und schaut intensiv in die Kamera. Fast glaubt man, die weiche Textur des Kleides zu fühlen und seine Rüschen im Wind rauschen zu hören.
Walde Huth (1923-2011) war eine Meisterin darin, Strukturen von Stoffen fotografisch einzufangen. Die Beschäftigung mit Textilien und mit dem Einfall des Lichtes beschäftigen sie ihr ganzes Fotografinnenleben lang. Anlässlich ihres 100. Geburtstags erinnert das Museum Ludwig nun mit der Ausstellung „Walde Huth. Material und Mode“ an die Künstlerin. Bis zum 3. März 2024 sind insgesamt 45 Fotografien sowie Filmaufnahmen und Dokumente von den frühen 50ern bis in die 80er Jahre zu sehen.
Die Bilder stammen aus der museumseigenen Huth-Sammlung, die in den vergangenen Jahren auf rund 220 Arbeiten erweitert wurde. Huths Werk verdiene es, bekannter zu werden, erklärt Kuratorin Miriam Szwast. Mit der Ausstellung hofft sie, auch neues Interesse der Forschung für das Werk der Fotografin zu wecken.
„Walde Huth war eine Material-Fetischistin“, sagt Rolf Sachsse, ehemaliger Lehrling und Mitarbeiter der Fotografin sowie emeritierter Professor für Designgeschichte und Designtheorie. „Für sie war Mode in erster Linie Material.“ In der Zeit des Wirtschaftswunders mit seinem Verlangen nach üppigen Stoffen und reichem Faltenwurf kam Walde Huth ihr Talent und die Vorliebe für Textilien zugute. Bekannt wurde sie in den 50er Jahren durch die Modefotografien aus Paris, Rom oder Florenz, die sie an deutsche Magazine verkaufte.
Walde Huth nahm die Models dabei nicht an Orten auf, die den gesellschaftlichen Zweck der Kleider unterstrichen, also etwa das Cocktailkleid an der Bar oder das Abendkleid vor der Oper. Für sie stand die Form im Vordergrund. Sie platzierte die Models in einen architektonischen Rahmen. So korrespondiert ein rüschenumfasster Ausschnitt mit dem Oval eines von geschwungenen Treppen umrahmten Platzes. Ein Model im schwarzen Hosenanzug ahmt mit seiner nach hinten geneigten Körperhaltung den Bogen der Pariser Pont Neuf nach.
Erfolgreich war Walde Huth dann vor allem mit Werbeaufträgen aus der Textilindustrie wie Stoff-, Teppich- oder Wäschehersteller. Ihr kam dabei zugute, dass sie sich schon früh mit Farbfotografie auskannte. Nach einem Studium an der Weimarer Hochschule für Baukunst, bildende Künste und Handwerk hatte sie 1943 bis 1945 eine Anstellung in der Entwicklungsabteilung für Farbfotografie bei Agfa in Wolfen. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte sie in ihre schwäbische Heimat zurück, wo sie erfolgreiche Foto-Studios in Esslingen und Stuttgart betrieb. 1958 siedelte Walde Huth nach Köln über, wo sie mit ihrem Mann, dem Fotografen Karl Hugo Schmölz, ein Foto-Studio gründete. Das Atelier schmölz + huth wurde zu einem florierenden Unternehmen, das Werbeaufträge von namhaften Herstellern erhielt.
Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre folgte dann jedoch ein jäher Absturz. Einerseits sei der von Huth und Schmölz gepflegte gediegene Stil von einer gewandelten Nachfrage nach Actionfotos überholt worden, erklärt Sachsse. Ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens sei jedoch vor allem ein Vorfall gewesen, bei dem es einen Großteil seiner Werbekunden verloren habe, erinnert sich Sachsse. Ein Volontär, den das Studio für Fotografien einer neuen Möbel-Kollektion beschäftigt habe, habe die Aufnahmen an die Konkurrenz des Auftraggebers verkauft. Danach war die Glaubwürdigkeit des Fotostudios schwer angeschlagen.