Bunte Farben und Kontraste: Eine Schau in Wittenberg zeigt das Leben einer Gemeinschaft, die nach einer 500 Jahre alten Tradition lebt. Kontraste bieten nicht nur die Farben, sondern auch das Spannungsfeld zur Moderne.
Ein klarer Blick frontal in die Kamera. Ein freundliches Lächeln einer jungen Frau. Ein florales Kleid in Blautönen total verdreckt von der Arbeit auf dem Feld. Das Foto zeigt Bethany Hofer aus der Deerboine Colony in Kanada. Die junge Frau hat gerade Gurken gepflanzt. Ihr Kleid und die weiße Bluse erinnern an eine alpenländische Tracht. Hofer trägt diese Tracht, weil sie Teil der Hutterer ist, einer Täufergemeinschaft, die vor 500 Jahren im Alpenraum entstanden ist.
Tim Smith hat das Foto im Jahr 2019 gemacht. Der Kanadier begleitet seit über 15 Jahren das Leben der Hutterer in Nordamerika und hält ihren Alltag in Bildern fest. Nun ist ein Teil seiner Bilder ab dem morgigen Freitag in einer Ausstellung in Wittenberg zu sehen. “Alter Glaube, neue Welt” lautet ihr Titel – und das Plakat ziert das Foto von Bethany Hofer im verschmutzten Kleid.
Sein Ziel sei es, so viele Momente aus dem Alltag wie möglich festzuhalten, erklärt Smith am Donnerstag vor Journalisten. Begonnen hat alles im Jahr 2009, als er für eine Tageszeitung Fotos von Frauen gemacht hat, die im Garten der Kolonie gearbeitet haben. “Die Neugierde hat mich angetrieben”, sagt er. Inzwischen seien Freundschaften entstanden. Manchmal komme er nur zum Kaffeetrinken in die Kolonie – ohne Kamera.
Diese enge Beziehung zu den Menschen sieht man seinen Bildern an. Der Oberbürgermeister von Wittenberg, Torsten Zugehör, beschreibt es so: “Nicht der Fotoapparat macht gute Bilder, sondern derjenige, der in der Lage ist, im richtigen Moment auszulösen.” Entstanden seien starke Bilder – nicht gestellt, sondern aus dem Moment heraus.
Die Hutterer leben heute noch nach der 500 Jahre alten Tradition. Sie nehmen die Bibel wörtlich, besonders die Apostelgeschichte und die Bergpredigt. Rund 45.000 Hutterer leben in etwa 500 Kolonien in den USA und Kanada. Manche von ihnen grenzen sich stark von der Mehrheitsgesellschaft ab, andere nehmen stärker am gesellschaftlichen Leben teil. Sie verkaufen Produkte aus eigener Produktion und helfen etwa bei Überschwemmungen, Feuer oder wenn anderswo Hilfe benötigt wird.
In den Kolonien gehört allen alles. Technische Geräte wie Fernseher oder Smartphones waren lange verboten. Inzwischen mischen sich moderne Elemente immer stärker in das traditionelle Leben. Dieses Spannungsfeld mache die Bilder so faszinierend für Außenstehende, meint die Kuratorin der Ausstellung, Sophie Potente.
Die Schau soll nicht nur eindrucksvolle Fotos präsentieren, sondern auch die Geschichte der Hutterer erzählen. Im Januar 1525 fand in Zürich die erste Taufe eines Erwachsenen statt, der auch schon als Kind getauft worden war. Daraus sind die Täuferbewegungen, unter anderen die Hutterer entstanden. Benannt sind sie nach ihrem ersten Vorsteher Jakob Hutter (etwa 1500-1536). Im Jahr 1874 reisten die Hutterer endgültig aus Europa aus und ließen sich in Nordamerika nieder. Noch heute sprechen sie Hutterisch, einen bairisch-österreichischen Dialekt.
In den Themenfeldern “Gemeinschaft”, “Alltag und Glaube” sowie “moderne Welt” sollen Smiths Fotografien das Leben der Täufergemeinschaft näherbringen. Ein Junge auf dem Hoverboard oder ein älterer Mann, der vor dem Staub wegläuft, den der Mähdrescher aufwirbelt – manche Bilder wirken auf den ersten Blick wenig überraschend.