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Forscherin: Schreiben zu können ist die Voraussetzung fürs Denken

Falsch geschriebene Wörter, schnell ermüdende Hände: Die Schreibfertigkeiten von Kindern lassen seit Jahren in vielerlei Hinsicht nach. Eine Expertin erklärt, warum das problematisch ist.

Mit der Hand schreiben zu können ist nach Einschätzung einer Expertin eine wichtige Voraussetzung fürs Denken. “Durch die Feinmotorik beim Schreiben werden Verknüpfungen im Gehirn geschaffen, die für das Denken grundlegend sind”, sagte Stephanie Ingrid Müller, Leiterin des Mediastep-Instituts, am Dienstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Erlangen. Dafür seien auch die ersten sechs Lebensjahre maßgeblich. Erwiesen sei etwa, dass man sich Dinge, die man mit der Hand geschrieben habe, besser merken könne. Am Donnerstag ist der “Tag der Handschrift”.

“Das Schreiben mit der Hand ist die hochkomplexeste Feinmotorik, die wir Menschen überhaupt entwickeln können. Und sie ist an die Sprachentwicklung gekoppelt”, so Müller, die auch Lehrkräfte aus- und weiterbildet und Eltern zum Schreibenlernen berät. “Wenn ich die Sprache nicht gut kann, dann werde ich auch nicht gut schreiben können. Die zwei Komplexe – also die neuronalen Areale, die für Sprache im Gehirn zuständig sind und die, die für Feinmotorik zuständig sind – müssen im frühen Kindesalter beide entwickelt werden und sich dann Richtung Schule miteinander verknüpfen.”

Wichtige Bedingung für die feinmotorische Entwicklung sei die grobmotorische Entwicklung, also Bewegung im Kleinkindalter. “Das baut sich auf wie ein Haus: Diese verschiedenen Bewegungen differenzieren sich, greifen ineinander und am Schluss kann sich die Feinmotorik der Hand auch entwickeln. Das muss unbedingt in der richtigen Reihenfolge sein.”

Sowohl grob- als auch feinmotorische Fertigkeiten ließen bei Kindern allerdings mehr und mehr nach, sagte Müller. Stolperfrei rückwärts gehen könnten die wenigsten. “Die Kinder sind nicht schlechter geworden, die bringen alles mit auf die Welt. Es liegt an den Settings.”

Außerhalb der Schule werde kaum noch mit der Hand geschrieben; allerorten tippten die Menschen in Handys, Laptops oder Tablets. Tippen oder Wischen könne den komplexen Vorgang des Schreibens mit der Hand aber nicht ersetzen, so die Pädagogin. Beim Tippen und noch mehr beim Wischen würden viel weniger Fingerbewegungen benötigt als beim Schreiben auf Papier. Dieser Bewegungsablauf sei sehr viel komplexer und setze ein “neuronales Feuerwerk” in Gang.

Zudem kritisierte Müller die uneinheitlichen Schriftarten, die in den Bundesländern gelehrt würden. “Wir lehren in 16 Bundesländern sieben verschiedene Arten zu schreiben. Wenn ein Kind das Bundesland oder sogar am Wohnort nur die Schule wechselt, muss es unter Umständen eine neue Schrift lernen.” Das erschwere den Schreiberwerb noch zusätzlich.