Frauen weinen, Männer zeigen keinerlei Gefühle? So klischeehaft sei der Umgang mit Trauer meist nicht, sagt ein Wissenschaftler, der dies untersucht hat. Vor einer Herausforderung stünden zudem alle Trauernden.
Männer drücken Trauer eher kontrolliert aus und wollen schnell wieder Haltung erlangen: Das beobachtet der Theologe und Psychologe Erich Lehner. “Sie sind eher darauf aus, wieder zu funktionieren und für Probleme eine schnelle Lösung zu suchen”, sagte Lehner der Zeitschrift “Psychologie Heute” (Dezember-Ausgabe). Wenn man sich aber stets an äußeren Erwartungen orientiere, könne “das eigene Innere mit den Gefühlen” zur Gefahr werden.
Insgesamt finde Trauer heute stärker individualisiert statt, sagte der Autor des Buchs “Ohne dich. Wenn Männer trauern”. Zeitliche Vorgaben wie das Trauerjahr seien verschwunden. “Was jedoch nach wie vor gilt, ist, dass Trauer in erster Linie mit Frauen verbunden und ihnen zugeschrieben wird.” Frauen betonten oft eine bleibende Verbundenheit mit einer verstorbenen Person. Wenn dagegen auf Ablösung gepocht werde, gehe es vor allem um Funktionalität.
Manche Trauernden wollten ihren tiefen Schmerz ausrücken. Andere fühlten sich wohler, wenn sie ihren Verlust intellektuell verarbeiten könnten, erklärte Lehner. Stets gehe es jedoch um ein “doppeltes Geschehen”, einerseits um einen Rückblick, andererseits darum, ohne die verstorbene Person das Leben neu zu gestalten. “Trauer ist einerseits ein inneres Geschehen der Selbstreflexion, das aber andererseits immer auch der sozialen Verbundenheit mit anderen bedarf”, so der Forscher.