Die Szenen vom Jahreswechsel 2015/2016 werden wohl noch lange in unseren Köpfen bleiben. Doch die Medien melden, es seien in der Nacht des diesjährigen Jahreswechsels nur wenige sexuelle Übergriffe oder Vergewaltigungen in Deutschland angezeigt worden.
Hängt das Mitgefühl für die körperliche Unversehrtheit und die sexuelle Selbstbestimmung von der Anzahl der Fälle ihrer Missachtung ab? Oder erkennen die Leitmedien, dass ohne die Silvesterszenen die Bilder von den sogenannten Horden junger Flüchtlingsmänner, die es angeblich auf „unsere“ Frauen und auf den Konsens der Geschlechtergerechtigkeit in unserer Gesellschaft abgesehen haben, nicht mehr funktionieren würden?
In den vergangenen Jahren wurde viel für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland erreicht. Aber sind es tatsächlich die Flüchtlinge, die das in Frage stellen? Die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern, Gewalt gegen Frauen und Männer, einengende Geschlechterstereotypen, die Sexualisierung der Werbung …
All das sind Beispiele dafür, dass unsere Gesellschaft nach wie vor von sexistischen Strukturen geprägt ist, die zunächst überhaupt nichts mit kulturellen Einflüssen zugewanderter Bevölkerungsgruppen zu tun haben.
Im Gegenteil, es gehört zur menschenverachtenden Programmatik der nationalistischen Szene, die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie die Vielfalt von Geschlechterrollen und Lebensentwürfen mit radikal rückwärtsgewandten Bildern zu bekämpfen.
Natürlich ist es berechtigt zu fragen, ob die sozialen und religiösen Prägungen in anderen Kulturen gerade in Fragen des Verhältnisses der Geschlechter für die Integration junger männlicher Flüchtlinge hinderlich sind. Doch auf der anderen Seite ist es dringend erforderlich, das gesellschaftliche Negativbild von Männlichkeit allgemein und von Männern nichtdeutscher Herkunft im Besonderen zu hinterfragen.
Wenn dies geschieht, wird schnell deutlich, dass sich Männlichkeiten überall auf der Welt jeweils aus völlig unterschiedlichen Einstellungen, Erfahrungen und Prägungen herleiten. In den meisten Männlichkeitsentwürfen stecken auch Ressourcen wie Empathie, Verantwortung und Hingabe. Machistische Bilder in den Köpfen junger nichtdeutscher wie deutscher Männer können überwunden werden, wenn bei diesen Ressourcen angesetzt wird.
Dazu brauchen sie Männer als Dialogpartner, die authentisch vorleben, dass der respektvolle Umgang zwischen den Geschlechtern und sexuellen Identitäten die Grundlage einer humanen Gesellschaft bildet. Eine Herausforderung für uns evangelische Männer!
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Flüchtling, männlich = gefährlich?
Übersteigerte Rollenbilder von Männlichkeit können die mühsam erkämpfte Gleichstellung von Frauen und Männern in Frage stellen. Aber sind diese Rollenvorstellungen zwangsläufig bei Männern aus anderen Kulturen anzutreffen?
