Wer kennt ihn nicht, den Gefangenenchor aus Giuseppe Verdis „Nabucco“? Selbst Menschen, die mit klassischer Musik wenig am Hut haben, können die Anfangszeilen mitsummen. Zur Hymne der italienischen Einigungsbewegung sollte er zwar erst etwas später avancieren. Doch schon bei der Uraufführung der Oper am 9. März 1842 – vor 175 Jahren also – sorgte der Chor der gefangenen Israeliten für Begeisterungsstürme.
Nebukadnezar ist der Titelheld
Eigentlich wollte Verdi nach dem Misserfolg seiner zweiten Oper „Un giorno di regno“ den Komponistenberuf an den Nagel hängen. Das Leben hatte ihm arg mitgespielt. Seine Frau und seine zwei Kinder waren innerhalb kurzer Zeit verstorben, und dann war auch noch diese Oper durchgefallen. Doch der damalige Intendant der Mailänder Scala glaubte an das Nachwuchstalent. Er ließ dem entmutigten Endzwanziger ein Textbuch zukommen, von dem er dachte, dass es Verdis Interesse finden würde.
Verärgert, so geht die Legende, knallte Verdi das Büchlein auf den Tisch. Da öffnete es sich – und dem Komponisten sprangen just die Anfangszeilen des Gefangenenchores ins Auge: „Va, pensiero, sull‘ali dorate“ (Flieg‘ Gedanke auf goldenen Flügeln). Vor seinem inneren Ohr hörte der Komponist sofort Musik, sein Widerstand war gebrochen.
Die Geschichte des „Nabucco“ geht auf das biblische Buch Daniel zurück. Der Titelheld, das ist niemand anderes als der babylonische Herrscher Nebukadnezar, der den Tempel in Jerusalem zerstören lässt und die Israeliten in die babylonische Gefangenschaft entführt. Dass sich der Herrscher später wie ein Gott verehren lässt, dass ihn Gott dafür mit Wahnsinn straft, bis er schließlich seine Allmacht anerkennt – auch das hat der italienische Librettist Temistocle Solera dem Alten Testament entnommen. Um dieses Gerüst hat er eine operntaugliche Handlung gebaut, bei der es – am Rand – um Liebe, vor allem aber um Verrat, Selbstüberschätzung und die Kraft des Glaubens geht.