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Felix Klare brilliert in Arte-Drama über sexualisierte Gewalt

Als kleiner Junge wurde Frank sexuell missbraucht, von seinem Fußballtrainer. 30 Jahre später zeigt er ihn an – und hat sein ganzes Heimatdorf gegen sich. Ein so erschütterndes wie feinfühliges Drama.

Es gibt da diese Szene, in der Frank, gespielt von Felix Klare, hinter einem Auto zusammenbricht. Unmittelbar davor hat er sich erstmals der Konfrontation mit seinem einstigen Peiniger gestellt: dem Fußballtrainer seiner Kindheit, der ihn sexuell schwerst missbrauchte, als er zwischen acht und zehn Jahren alt war. Es ist eine herzzerreißende Szene, wie Frank da kauert, weinend, verzweifelt. Klaus Wille, der brutale Schatten seiner Vergangenheit, hat noch immer Macht über ihn.

Klare hat in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass er eine gute Wahl für psychologisch anspruchsvolle Rollen ist: Als smarter Frauenmörder in “Schneller als die Angst”, als vermeintlicher Gewalttäter in “Unschuldig” oder als um sein Kind kämpfender Vater in “Du gehörst mir”. Mit der Figur des Frank kommt nun eine neue, erschütternde Facette von Traumatisierung und Leid hinzu. Es ist eine Story, bei der man sich beim Zuschauen gerne mit dem Satz “Ist ja nur ein Film!” beruhigen würde.

Allein: Fälle wie den hier erzählten gibt es leider häufig; das belegt ein Blick in die Nachrichten aufs Bitterste. Sexualisierte Gewalt im Umfeld von Sportvereinen war und ist weit verbreitet, wie etwa eine Studie der Sporthochschule Köln aus dem Jahr 2022 aufzeigt. Und die Dunkelziffer ist weiterhin hoch.

Eine harte Geschichte erzählt dieses TV-Drama; erträglich bleibt sie wohl nur, weil der Hauptstrang nicht aus der Perspektive des Jungen, sondern der des Erwachsenen Frank erzählt ist. Dieser Blickwinkel hat aber auch noch einen weiteren Grund: “Wir haben einen Deal” zeichnet nach, wie sehr sexualisierte Gewalt die Betroffenen fürs ganze Leben prägt – gerade, wenn sie nicht benannt und in irgendeiner Weise aufgearbeitet wird.

Auch Frank hat nie darüber gesprochen, was ihm angetan wurde. Längst hat er der Heimat den Rücken gekehrt, sich ein Leben mit Frau, Kind und erfolgreicher Firma aufgebaut.

Doch die Fassade ist alles andere als stabil. Sie beginnt rapide zu bröckeln, nachdem sich der Geschäftsmann von seiner Frau (Patricia Aulitzky) überreden lässt, das geerbte Elternhaus im Heimatdorf erstmal zu behalten. Sabina, von Beruf Raumausstatterin, will es sanieren und dort mit Sohn Tim die Sommerferien verbringen. Als Sabina jedoch ausgerechnet für Klaus Wille (Peter Lohmeyer) zu arbeiten beginnt, der im fiktiven Örtchen Eigelfing als Bauunternehmer und Vorstand im Fußballverein nach wie vor eine echte Größe darstellt, und Sohn Tim mit ins örtliche Fußballcamp fährt, wird Frank von den Traumata seiner Vergangenheit eingeholt.

Da sich Wille immer noch an Kindern zu vergreifen scheint, kann Frank nicht länger davonlaufen: Er öffnet sich seiner Frau, zeigt Wille an, hat in kürzester Zeit das ganze Dorf gegen sich. Bis, ja, bis sich eine Augenzeugin traut, etwas zu sagen. Ein anderer Betroffener den Mut fasst, sich der Vergangenheit zu stellen. Ein weiterer Mensch die eigenen Erinnerungen durchforstet. Es also peu a peu immer mehr werden, die die Mauer des Schweigens durchbrechen.

Marie-Helene Schwedler hat ein Drehbuch verfasst, das bei aller Ungeschöntheit zumindest kleinen Raum für Hoffnung lässt – die hier im Überwinden der Vereinzelung liegt. Vor allem aber zeigt sie den langen, schweren Weg dorthin. Gut geschrieben ist das, mit überzeugenden Figuren sowie realistischen, präzisen Dialogen. Stimmig sind auch die gelegentlich elliptische Erzählweise, die gut gesetzten Auslassungen: Vieles darf, muss sich der Zuschauer selbst erschließen. Dazu passt, dass Regisseurin Felicitas Korn nur “das Nötige” zeigt, wenn kurze Rückblenden die sexuellen Übergriffe zeigen.

Feinfühlig, mit großer Menschenkenntnis und Sinn für Stimmungen sind auch Franks teils dramatische Gemütszustände inszeniert, atmosphärisch ins Bild gesetzt von Julian Krubasiks Kamera. All dies freilich wäre nichts ohne die ergreifende, durchlässige Performance von Felix Klare: Der Schauspieler zeigt hier einmal mehr, dass er eine verlässliche Wahl ist, wenn es im deutschen Fernsehen emotional herausfordernde Rollen zu spielen gibt.