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Fastenmotto: Nordsee gegen Panik

Pamela Hansen ist Pastorin auf der Insel Helgoland. Sie kennt Panik. Und die Kraft des Meeres. Das passt gut zum Fastenmotto “Luft holen!”.

Basstölpel brüten auf den berühmten roten Klippen Helgolands. Links hinten: der Turm der St.-Nicolai-Kirche.
Basstölpel brüten auf den berühmten roten Klippen Helgolands. Links hinten: der Turm der St.-Nicolai-Kirche.epd-bild/imageBROKER/Ronald Wittek/Logo: epn

Helgoland. „Panik lässt sich nicht einfach abstellen“, sagt Pamela Hansen. „Man kann nur durch Atemtechnik dem Gefühl etwas entgegensetzen.“
Pamela Hansen ist seit 13 Jahren Pastorin der Kirchengemeinde Helgoland. Sie kennt sie selbst, die Panik: ein fester Knoten im Magen, ein Herz, das rast, ein Körper, der plötzlich schwitzt. Seit dem Tod ihres Ehemannes 2022 erlebt sie Panikattacken. Oft in der Ruhe nach dem Sturm eines anstrengenden Tages, oft, wenn sie sehr an ihn erinnert wird. Atmen helfe dann, berichtet sie. Und: einfach raus. Schuhe an, Jacke an, frische Luft.

Frische Luft gibt es viel auf Helgoland. Mit dem Slogan „Die Insel, die atmet“ wirbt sie um ihr positives Image. „Das Motto passt sehr“, sagt Pamela Hansen im Videogespräch. „Die Luft ist sauberer als auf dem Festland, weil wir keinen Autoverkehr haben. Wir sind hier mitten in der Nordsee. Es gibt immer etwas Salz in der Luft. Ich glaube, dass wir hier besser und gesünder atmen und deswegen vielleicht auch etwas tiefer durchatmen können.“

Hier kann die Seele Luft holen

„Wir“, das sind rund 1.200 Menschen, die derzeit auf roten Felsen leben, 70 Kilometer vom Festland entfernt. Von dort überquerten im vergangenen Jahr 302.000 Tages- und Übernachtungsgäste das Meer zur Insel. Pamela Hansen ist Pastorin für alle, Gäste wie Einheimische – und ihre mehr als 2800 Follower bei Instagram.
„Inneres, seelisches Durchatmen“, das biete die Kirchengemeinde an, sagt Hansen. „Wir machen verschiedene Angebote, sei es für Insulaner, sei es für Gäste, bei denen die Seele Luft holen kann.“ Etwa im Gottesdienst oder in den Veranstaltungen der Urlauberseelsorge. Denn Gäste haben Zeit für Spiritualität.
„Wir sind nicht im Urlaubsmodus“

Bewegung baut Stress ab

Zeit nimmt sich Pamela Hansen für alle, die um ein Seelsorgegespräch bitten. Auf Wunsch auch unter freiem Himmel, beim Spaziergang auf dem Klippenweg. „Ich stelle fest, dass es an der frischen Luft Menschen leichter fällt, über das zu sprechen, was sie bewegt“, sagt sie.

Das Foto zeigt ene Frau in einer zartrose Jacke. Im Hintergrund ist die "Lange Anna" zu sehen. Der Felsvorsprung ist das Wahrzeichen der Insel Helgoland.

Während im Amtszimmer häufig der Satz falle „Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll“, mache sie draußen die Erfahrung, dass das Eis schnell gebrochen werde. Die Weite, das Meer, der Himmel, die Seevögel, über sie lässt es sich ganz leicht reden, bevor es um das geht, was die Seele belastet. „Die Leute erzählen einfach entspannter und freier“, sagt Hansen.
Ein weiterer Faktor kommt hinzu: die Bewegung. Bewegung baut Stress ab, das weiß die Pastorin seit ihrer Notfallseelsorge-Ausbildung. „Ich bin selbst heute Morgen einen Halbmarathon gelaufen“, erzählt sie fröhlich. Denn Stress gibt es nicht nur auf dem Festland, sondern auch auf der Insel. „Die Gäste sind im Urlaubsmodus. Wir sind es nicht, wir arbeiten hier“, sagt Pamela Hansen. „Manche Leute sind irritiert, weil sie merken, dass wir hier auch im Stress sind.“

“Man kann erst mal durchatmen”

Etwa 70 Minuten dauert die schnellste Katamaran-Verbindung vom niedersächsischen Cuxhaven auf die Insel – sofern das Wetter mitspielt. „Ich glaube schon, dass die Distanz zum Festland gegen Panik hilft“, sagt die Pastorin. Alles dauere etwas länger, das entschleunige. „Man kann erst mal durchatmen und alles sacken lassen.“
Für die Helgoländer relativiere sich vieles auch durch das Wetter. „Wenn der Ostwind stark gegen das Fenster drückt und man Angst hat, dass es zerbricht, ist das erst mal dran.“ Die Insulaner seien es gewohnt, mit Problemen umzugehen, meint Pamela Hansen. „Ich glaube, dass die Menschen hier auf der Insel grundsätzlich nicht so schnell in Panik verfallen, wie es drüben auf dem Festland der Fall ist.“