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Falkenjagd, Hunderennen, Reiterspiele

Stephanie Behrendt stellt sich seitlich auf, spannt elegant den Bogen und – zack – schnellt der Pfeil 50 Meter nach vorn. „Nicht getroffen“, stellt ihre Kollegin Verena Hohoff fest. Bei einem Treffer ins Ziel hätte es „tock“ gemacht.

Die beiden Bogenschützinnen bereiten sich auf einer Sportanlage bei Erda im Lahn-Dill-Kreis auf ein besonderes Spektakel vor: Im September nehmen sie an den Weltnomadenspielen in Kasachstan teil. 21 Sportlerinnen und Sportler aus Deutschland sind dabei, darunter drei aus Hessen: neben Behrendt und Hohoff als dritte Meike Stamer, ebenfalls Bogenschützin. Alle drei stammen aus Wetzlar. Zum Team gehört außerdem Frank Pogrzeba aus Berlin.

Stephanie Behrendt und Verena Hohoff legen am Vereinsheim der Aartal Poachers Hohenahr ihre Sportgeräte auf den Tisch: Sie schießen mit Reiter- oder Reflexbögen. Einst waren sie für die Jagd in der Steppe und vom Pferd aus geeignet. „Wir haben historische Bögen, aber nicht das historische Material“, erklärt Behrendt. Die traditionellen Völker nutzten zum Beispiel Tiersehnen und Horn. Die Bögen von Behrendt und Hohoff bestehen aus einem Holzkern mit Fiberglas verstärkt. Sie sind geschwungen und künstlerisch verziert.

Die beiden Frauen nahmen vor sechs Jahren schon einmal an Weltnomadenspielen teil, in Kirgisistan. Behrendt errang in der Disziplin Koreanisches Schießen sogar den ersten Platz. Sie zeigt Fotos von damals: Direkt neben dem Hotel, in dem sie übernachteten, trainierten andere Teilnehmer ihre Adler für die Wettkämpfe. Auf einer Hochebene fand das Bogenschießen statt. Weitere Disziplinen, so erzählen es die beiden Sportlerinnen, waren Falkenjagd, Kampfsport, Hunderennen, Wrestling auf dem Pferd, berittenes Bogenschießen, Denkspiele oder das Reiterspiel Kok Boru.

Zu den fünften Nomadenspielen in der kasachischen Hauptstadt Astana werden vom 8. bis zum 13. September 2.500 Teilnehmende erwartet, 97 Medaillen sind zu vergeben. Die Spiele wollen die ethnischen Sportarten bewahren und entwickeln, wie es auf der Website der World Nomad Games heißt. Im asiatischen Raum seien die Nomad Games sehr bekannt, sagt Behrendt. Teilnehmer kämen aber auch aus den USA, Kanada, Frankreich oder Polen.

Das Besondere ihrer Art des Bogenschießens sei die uralte Technik, mit dem Daumen an der Sehne zu ziehen, wie die beiden Frauen berichten. Dafür verwenden die Sportler einen Daumenring.

Zum traditionellen Bogenschießen kamen Verena Hohoff und Stephanie Behrendt, weil ihnen das Sport-Bogenschießen „zu langweilig, zu technisch“ war. Bei ihrer Schusstechnik seien weniger Hilfsmittel erlaubt. Es brauche Geduld, Durchhaltewillen und eine gute Körperspannung.

Auf der Trainingsanlage ihres Heimatvereins Aartal Poachers Hohenahr trainieren die Wetzlarerinnen verschiedene Schuss-Distanzen. Die Ziele stehen mitten im Wald, manchmal behindern Zweige die Flugbahn des Pfeils. Die Art des Schießens mit der Daumentechnik sei weltweit die verbreitetste, erzählt Behrendt. In der Türkei wurde die erfolgreiche Schützin sogar schon mal auf der Straße erkannt. Deutschlandweit allerdings schießen nur etwa 200 Schützen mit dieser Technik, mit steigender Tendenz, so die zwei Sportlerinnen.