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Facettenreiche ZDF-Doku begleitet traumatisierte Bundeswehrsoldaten

Sie haben Alpträume oder Angst vor weißen Gewändern – der Kriegseinsatz bei der Bundeswehr belastet Martin und Verena noch immer. Wie sie sich ihrem Trauma stellen, zeigt eine ZDF-Dokumentation.

Posttraumatische Belastungsstörung – dieser Begriff taucht oft auf, wenn Menschen extrem belastende Erlebnisse verarbeiten müssen. Folgen davon können gravierende Ängste, Depressionen und Alpträume sein. Davon sind häufig jene betroffen, die im Auslandseinsatz für die Bundeswehr ihr Leben riskiert haben. Seit 1991 Jahren waren über 400.000 Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz. Die ZDF-Doku “Im Kopf geht der Krieg weiter – Überleben nach dem Einsatz” hat zwei von ihnen getroffen. Der Beitrag aus der Reihe “37 Grad” wird am 22. April um 22.15 Uhr gesendet.

Der 43-jährige Martin war als Fallschirmjäger im Kosovo-Krieg, in Mali und im Jemen eingesetzt. Tote und Töten gehörte dort über Wochen und Monate zu seinem Berufsalltag. Damals war der Berliner Anfang 20 – seine freiwillige Dienstzeit ging über acht Jahre. Über das, was während seiner Einsätze geschah, hat er viele Jahre nicht gesprochen, auch nicht mit seiner Frau. Dabei ging es ihm zunehmend schlechter; er hatte nachts Alpträume, wurde aggressiv. Martin hat sich entschlossen, Hilfe zu suchen.

Er besucht einen Therapeuten, der selbst im Kosovo-Einsatz war und spezialisiert ist auf die Behandlung von Soldaten. Beim ersten Gespräch wird Martin von seiner Ehefrau Christiane – und dem Filmteam – begleitet. Bei der Bewältigung seiner Erlebnisse hilft ihm zudem die Kameradschaft, die er beim Bund Deutscher EinsatzVeteranen findet. Martin besucht eine Veranstaltung, bei der Betroffene auch durch die Konfrontation mit Bildern von Kampfeinsätzen therapiert werden sollen. Doch das ist für ihn zu viel.

Die 41-jährige Verena diente über ein Jahr in der elektronischen Kampfführung in Afghanistan und sieben Monate im Libanon. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem die Auswertung von Drohnen- oder Satellitenbildern, auf denen Hinterhalte entdeckt und Attentate verhindert werden sollten. Diese Bilder, die Verena unter Zeitdruck auswerten musste, zeigten häufig Tod und Verwüstung. Sie musste zur Analyse sehr genau hinschauen, um das Leben ihrer Kameraden zu schützen. “Bis heute kann ich Leute in weißen sauberen Gewändern nicht gut ertragen. Selbstmord-Attentäter erkennt man daran, denn die wollen ‘sauber’ gehen”, erklärt Verena.

Die Bundeswehr ermöglichte Verena in ihrer letzten Phase als Zeitsoldatin eine Ausbildung zur Ergotherapeutin. Nach dem Ausscheiden aus der Bundeswehr vor sieben Jahren machte sie sich selbstständig. Ein Jahr später aber erlebte sie einen Zusammenbruch. Die Fernsehbilder des Terroranschlages in Halle an der Saale hatten sie getriggert – sie hatte viele Alpträume, musste sogar ihre Praxis vorübergehend schließen. Als Ergotherapeutin absolvierte sie eine Trauma-Zusatzausbildung und will sich in Zukunft im Bund Deutscher EinsatzVeteranen engagieren. Sie möchte damit anderen Kameraden – wie Martin – helfen, die es noch nicht ganz in ein neues Leben geschafft haben.

Die Berliner Filmemacherin Pia Busch gewährt mit viel Fingerspitzengefühl und einer guten Balance zwischen Nähe und Abstand interessante Einblicke in die Einzelschicksale von Verena und Martin. Sie stehen stellvertretend für viele ehemalige Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten, die im Auslandseinsatz in Kriegsgebieten waren. Darüber hinaus wird deutlich, mit welchen bürokratischen Hürden viele Betroffene zu kämpfen haben. Martin hat sich laut Busch über zwei Jahre um eine Erwerbsunfähigkeitsrente bemüht; diese habe er nun zunächst für ein Jahr durchbekommen.

“Ich möchte Geschichten von Menschen erzählen, facettenreich und differenziert darstellen, wie sie unterschiedlichen Herausforderungen begegnen und sie bewältigen”, beschreibt Busch ihre Herangehensweise im Austausch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Ihr Fazit nach dem Ende der Dreharbeiten: Menschen, die von einer Posttraumatischen Belastungsstörung betroffen sind, wollten oftmals erzählen, was sie bewegt. “Man muss nur den Mut haben, zu fragen.”