Das Erinnern an die Mauertoten in der Kapelle der Versöhnung auf dem ehemaligen Todesstreifen in Berlin schlägt nach Worten einer Expertin auch eine Brücke in die Gegenwart. “Wenn wir an diese Biografien erinnern, dann erinnern wir an die einzelnen Menschen und an ihre Schicksale”, sagte die Beauftragte für Kultur und Öffentlichkeit in der Gemeinderegion Berlin-Gesundbrunnen mit Basis in der Kirchengemeinde Versöhnung, Esther Schabow, in einer neuen Ausgabe des Podcasts “Himmelklar”. In der Kapelle an der Bernauer Straße gibt es Andachten zur Erinnerung an die Toten.
“Es ist aber natürlich immer auch ein Erinnern an die Vielzahl der Menschen, die auf der Flucht sind. Wir erleben, dass es auch ein Erinnern ist und immer mehr ein Erinnern wird an die Menschen, die sich heute auf die Flucht begeben, die heute ihre Heimat verlassen, die sich heute nach Freiheit sehnen”, betonte Schabow.
Menschen stellten in den Andachten mitunter Parallelen zu heutigen Ereignissen fest. “Dann merken wir, dass das Erinnern auch fruchtbar sein kann. Um es pädagogisch auszudrücken, ziehen wir Lehren aus der Vergangenheit, aber wir können auch eine Brücke schlagen, dass niemand vergessen sein soll, was auch die Folgen von Teilung und Ausgrenzung sind”, so Schabow.
Die Kapelle der Versöhnung wurde aus Holz und Lehm und zu zwei Dritteln aus den Bruchstücken der historischen Versöhnungskirche und auf den Fundamenten ihres neugotischen Vorgängerbaus errichtet. Er war im Januar 1985 nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen Vertretern von Kirche und staatlichen Institutionen in West- und Ost-Berlin gesprengt worden. Sie lag einst direkt auf der Grenze zwischen dem sowjetischen und französischen Sektor und war nach dem Mauerbau 1961 unzugänglich geworden.