Eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist laut der Rechtsprofessorin Liane Wörner keine rein juristische Frage. Es berühre weite Teile der Gesellschaft und müsse unter Berücksichtigung der Perspektiven aller Beteiligten diskutiert werden, sagte sie der “taz” (Donnerstag). Dazu gehörten ethische Aspekte ebenso wie medizinische und soziale. Wörner koordiniert in einer von der Bundesregierung eingesetzte Kommission die Gruppe, die Regelungen des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafrechts prüfen soll.
Nach einjähriger Arbeit will die Kommission im Frühjahr erste Ergebnisse vorstellen. Wörner sagte, die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Experten verlaufe “extrem gut”. So seien neue Aspekte aufgetaucht, wie die Frage nach Prävention: “Wie könnte man dafür sorgen, dass es im besten Fall nur noch gewollte Schwangerschaften gibt?”
Geklärt werden müsse auch, welchen Spielraum der Gesetzgeber überhaupt habe, auch mit Blick auf den Menschenrechtsdiskurs, die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Verschränkung mit nationalem Recht. Sozialrechtlich bestehe ein großes Problem darin, dass frühe Schwangerschaftsabbrüche derzeit keine Kassenleistung sind, also grundsätzlich selbst bezahlt werden müssen, ebenso wie in den meisten Fällen die Schwangerschaftsprävention durch Verhütung.
“Niemand macht einen Abbruch aus einer nachmittäglichen Laune heraus. Es geht um einen schwerwiegenden höchstpersönlichen Konflikt”, so Wörner. Abbrüche nach Beratung seien in Deutschland in den ersten 12 Wochen zwar straffrei, “aber eben trotzdem verboten; also letztlich nur geduldet. Es bleibt die Botschaft an die Frau: Das ist falsch, das sollst du nicht. Ist das wirklich richtig?” Eine Konfliktlösung sei es nicht. “Damit treffe ich keine Aussage über den Wert von Leben vor der Geburt. Der Gesetzgeber hat ganz klar die Aufgabe, Leben zu schützen, da kommen wir nicht drumherum. Wie aber bringen wir diese Rechte und Schutzpflichten zusammen?”
Wörner betonte, Aufgabe der Kommission sei es nicht, einen konkreten Gesetzentwurf für die Bundesregierung auszuarbeiten: “Wir loten den Spielraum aus, den der Gesetzgeber hat, um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch (neu) zu regeln, und welche Risiken er bei welcher Regelung eingeht. Zum Beispiel das einer neuen Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.”