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Experten zu Neuregelung von Abtreibung bei Anhörung gespalten

Kurz vor Ende der aktuellen Wahlperiode hat der Rechtsausschuss des Bundestags Experten zu einer möglichen Neuregelung der Abtreibungsregeln angehört. Dabei gingen die Meinungen weit auseinander.

Eine mögliche Änderung der rechtlichen Regeln zu Abtreibungen ist unter Experten weiter umstritten. Bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags bezeichneten manche Sachverständige am Montag einen vorliegenden Gesetzentwurf zu einer Neuregelung mit Blick auf den Schutz ungeborenen Lebens als verfassungswidrig. Andere hielten den Entwurf hingegen für verfassungsrechtlich möglich und für eine bessere Versorgung bei Schwangerschaftsabbrüchen für notwendig.

Kern des vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwurfes ist es, Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz herauszunehmen. Abbrüche bis zur zwölften Woche sollen stattdessen “rechtmäßig und straffrei” sein und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Dass der Bundestag noch vor der Bundestagswahl über den Entwurf abstimmt, galt zuletzt als sehr unwahrscheinlich, da am Dienstag bereits der letzte geplante Sitzungstag des Bundestags in der laufenden Legislaturperiode ist. SPD und Grüne sowie ein Teil der FDP sind für eine Reform, Union und AfD dagegen.

Der Jurist Gregor Thüsing, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist, warb dafür, dem Thema nach der Wahl mehr Zeit und Raum zu geben. Er kritisierte den vorliegenden Gesetzentwurf als “juristisch radikal”, der eine deutliche Absenkung des Schutzes des ungeborenen Lebens nach sich ziehen würde. Damit werde die “Brandmauer des Lebensschutzes eingerissen”.

Die Strafrechtlerin Frauke Rostalski, ebenfalls Mitglied des Ethikrates, hält den Gesetzentwurf ebenfalls für verfassungswidrig. Eine mangelhafte Versorgungslage sei empirisch zudem nicht nachgewiesen. In der Abwägung des Lebensschutzes und der Selbstbestimmung der Frau genieße der Lebensschutz Vorrang. Rostalski warb dafür, als Gesellschaft etwa mehr für Alleinerziehende oder Eltern von Kindern mit Behinderung zu tun, um die Selbstbestimmung zu stärken. Die katholische Kirche hatte ebenfalls bemängelt, dass der Gesetzentwurf den Schutz des ungeborenen Kindes deutlich zurücknehme.

Befürworterinnen des Gesetzentwurfs wie die Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf oder die Juristin Liane Wörner warben hingegen dafür, die Neuregelung zu beschließen. Sie wirke einer Stigmatisierung von Schwangeren entgegen. Brosius-Gersdorf sagte, das Lebensrecht des ungeborenen Kindes stehe in der Frühphase der Schwangerschaft in der Abwägung hinter den Grundrechten der Schwangeren zurück. Beide Juristinnen gehörten einer von der früheren Ampel-Koalition eingesetzten Kommission an, die im April 2024 eine Liberalisierung von Abtreibungen empfohlen hatte.

Die Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Beate von Miquel, sagte, es sei Zeit, Ärzte und ungewollt Schwangere nicht länger zu stigmatisieren und zu kriminalisieren. Der Koordinator der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe für die aktuelle Leitlinie zum Schwangerschaftsabbruch, Matthias David von der Berliner Charité, sagte, aus seiner Sicht sei gerade die bestehende dreitägige Beratungsfrist sehr wichtig.

Derzeit sind in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche laut Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs rechtswidrig. Abtreibungen in den ersten zwölf Wochen bleiben aber straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ebenso straffrei bleibt der Eingriff aus medizinischen Gründen sowie nach einer Vergewaltigung. Um den in den 1990er Jahren erzielten Kompromiss wurde seinerzeit lange gerungen.