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Experte: “Universelles Leben” dümpelt nach Wittek-Tod vor sich hin

Nach Einschätzung des Sektenexperten Matthias Pöhlmann ist die Zukunft der Sekte „Universelles Leben“ (UL) nach dem Tod der Gründerin Gabriele Wittek ungewiss. Zwar habe sich das UL in den vergangenen Jahren „auch durch seine wirtschaftlichen Umfeldorganisationen institutionalisiert“, sagte der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Donnerstag. Wer in der Sekte fortan den Ton angebe, sei unklar, denn eine Nachfolgeregelung habe die selbst ernannte „Prophetin“ Wittek zur Lebzeiten nicht getroffen.

„Ich halte es für die wahrscheinlichste Option, dass das UL einfach weiter vor sich hindümpelt“, erläuterte Pöhlmann. Auch eine zeitnahe Auflösung der Sekte oder eine Radikalisierung der verbliebenen Mitglieder sei möglich, aber eher unwahrscheinlich. Die im Jahr 1977 unter dem Namen „Heimholungswerk Jesu Christi“ entstandene Glaubensgemeinschaft hatte zu ihrer „Blütezeit“ nach eigenen Angaben weltweit Zehntausende Mitglieder. Pöhlmann schätzt, dass die Zahl der echten UL-Mitglieder „deutlich unter 1.000 Personen“ liegt. Selbst jahrelange enge Weggefährten Witteks hatten sich zwischenzeitlich vom UL wieder losgesagt.

Laut Pöhlmann ist besonders spannend, welchen Wandel das UL in den vergangenen vier Jahrzehnten durchlaufen hat. Heute gehöre zur Sekte ein nur schwer durchschaubares Firmengeflecht vor allem in den Bereichen „friedfertiger Landbau“ und vegane Ernährung, beispielsweise über die „Lebe gesund“-Läden und den Versand. „Das UL hat also das gemacht, was es bei den beiden großen Kirchen immer kritisiert hat: Es ist eine Organisation mit handfesten wirtschaftlichen Interessen geworden.“ Auch der „Kampf gegen Steine“, also Kirchenbauten, sei mit dem Prunkbau „Zelt Gottes unter den Menschen“ konterkariert worden, sagte er.

Gabriele Wittek, geborene Maden, stammt aus Wertingen bei Augsburg. Ihr Aufstieg zur „Prophetin“ begann eigenen Veröffentlichungen zufolge am 6. Januar 1975, als sie nach dem Tod ihrer Mutter und schweren „Seelenkämpfen“ den „Durchbruch des Inneren Wortes“ erlebte. Fünf Tage später will sie erstmals die Stimme Jesu Christi vernommen haben. Aus diesen „Offenbarungen“ – die letzte soll sie am 29. Mai dieses Jahres empfangen haben – entstand das Glaubenskonstrukt des UL. In Würzburg und Umgebung gründeten aus dem In- und Ausland zugezogene Anhänger Witteks daraufhin sogenannte Christusbetriebe.

Am Mittwochabend hatte die „Main-Post“ (Würzburg) zuerst über den Tod Witteks berichtet. Auf epd-Anfrage bestätigte die Verwaltungsgemeinschaft Hettstadt im Landkreis Würzburg, in der Wittek zuletzt gemeldet war, den Tod der 91-Jährigen. Angaben zum genauen Todeszeitpunkt darf die Kommune aus Datenschutzgründen nicht machen, hieß es. Das „Universelle Leben“ und verschiedene UL-nahe Einrichtungen reagierten auf eine epd-Anfrage bislang nicht. (01/3177/24.10.2024)