Der Südosteuropa-Experte Florian Bieber sieht die orthodoxe Kirche als starken Faktor für die Freundschaft zwischen Russland und Serbien. Die Orthodoxie diene als symbolische Gemeinsamkeit, sagte der Luxemburger Politologe und Professor der Universität Graz der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA; Mittwoch). Das schlage sich auch in der Politik nieder.
Zwar übe Russlands orthodoxe Kirche laut Bieber keinen direkten Einfluss auf Serbien aus, jedoch beeinflusse die symbolische Verbundenheit durchaus die politischen Verhältnisse auf dem Westbalkan, so der Experte. In seinem jüngsten Buch “Pulverfass Balkan” verweist er auf Proteste in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Dort seien Putin-Unterstützer in den vergangenen Jahren neben russischen Flaggen auch mit orthodoxen Ikonen auf die Straßen gegangen. “Unter konservativ-nationalistischen Serben gibt es das Gefühl, dass Russland der große Bruder ist.” Dieser Mythos werde von einigen Medien und Kirchen gestärkt.
In Serbien bekennen sich rund 85 Prozent der 6,7 Millionen Einwohner zum orthodoxen Christentum. Katholiken und Muslime bilden mit je fünf und drei Prozent religiöse Minderheiten. Generell habe der wechselnde Einfluss verschiedener Großmächte in der Region über die Jahrhunderte eine facettenreiche Gesellschaft hervorgebracht. “Sie haben den Raum geschaffen für nationale, religiöse und sprachliche Vielfalt, die wohl nirgends in Europa so stark ausgeprägt ist wie auf dem Balkan.”
Bieber warnte vor einem zunehmenden politischen Einfluss Russlands und Chinas in der Region, wenn es der EU nicht gelinge, den Westbalkan zu integrieren. Besonders Moskau nutze Europas Schwäche, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen und Brüssel vorzuführen. “Deshalb liegt es im Interesse der EU, die Region nicht zu vergessen.”
Einen EU-Beitritt Serbiens hält Bieber derzeit nicht für realistisch. “Mit der jetzigen Regierung ist das sicher nicht vorstellbar. Die Regierung von Präsident Aleksandar Vucic, die seit mittlerweile zwölf Jahren am Ruder ist, ist grundsätzlich nicht bereit zu tun, was ein EU-Mitgliedsland tun sollte: demokratisch und rechtsstaatlich zu regieren.” Dies werde sichtbar an Kampagnen gegen die Opposition, in einer Kontrolle der Medien und in einer offensichtlichen Zusammenarbeit mit der organisierten Kriminalität.