Das jüdische Schulwesen in Bayern hat laut dem Bildungsexperten Dieter Reithmeier Mitte des 19. Jahrhunderts eine Blütezeit erlebt. Im Jahr 1850 habe es 180 jüdische Elementar- und Volksschulen gegeben, die sich vor allem auf dem Land befunden hätten, sagte der Experte für jüdische Bildung beim Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ab dann seien die Zahlen, vor allem wegen Landflucht und Geburtenrückgang, wieder gesunken. Heute gibt es in Bayern nur noch zwei jüdische Schulen.
Die „Blütezeit“ im 19. Jahrhundert sei vor allem auf die Einführung der Schulpflicht in Bayern zurückzuführen, sagte Reithmeier. 1802 sei die Schulpflicht für christliche Kinder eingeführt worden, 1804 dann die für jüdische. Die Volksschulen seien in Bayern damals streng nach Konfessionen getrennt gewesen. „Dass sich die Konfessionen durchmischten, war nicht gern gesehen. Katholische Kinder gingen in die katholische Schule und evangelische Kinder in die evangelische“, erläuterte Reithmeier. Daher hätten auch die jüdischen Gemeinden eigene Schulen gründen dürfen.
„Es gab quasi ein katholisches Einmaleins und ein evangelisches. Der damalige Volksschul-Unterricht bestand zu über der Hälfte aus Religion, sprich: Auswendiglernen des Katechismus, von Kirchenliedern, Bibeltexten, Gebeten“, sagte Reithmeier. Die übrigen Fächer wie Lesen oder Schreiben seien ebenfalls von katholischen oder evangelischen Inhalten durchsetzt gewesen. Diese Trennung der Volksschulen nach Konfessionen habe in Bayern bis 1967 bestanden. In den höheren Schulen habe es diese Trennung aber nicht gegeben.
Mit Beginn der NS-Zeit 1933 hätten nur noch 25 jüdische Schulen existiert, sagte Reithmeier. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es jahrzehntelang gar keine jüdischen Schulen gegeben. Die meisten der wenigen überlebenden Juden waren emigriert. Die wenigen jüdischen Kinder, die noch in Bayern lebten, hätten daher die staatliche katholische oder evangelische Schule besucht und Religionsunterricht in den wenigen existierenden Kultusgemeinden erhalten. Erst in den 1980er Jahren wurde die Sinai-Grundschule in München gegründet, 2016 dann das Helene-Habermann-Gymnasium. (00/4087/30.12.2024)