Die wachsende Einsamkeit vor allem bei jungen Menschen braucht für den evangelischen Theologen Lilie mehr Partizipation und auch veränderte Stadtarchitektur – gegen “Beziehungslosigkeit”.
In der Debatte um wachsende Einsamkeit beklagt der ehemalige Präsident der Diakonie, Ulrich Lilie, die “Beziehungslosigkeit” deutscher Mittelstädte. In Kommunen wie Gelsenkirchen, Neumünster und anderen Orten “gähnt sie die Beziehungslosigkeit förmlich an”, sagte Lilie bei der Jahrestagung des Deutschen Ethikrats am Mittwoch. “Wir haben in Deutschland viele ‘Nicht-Orte’, da müssen wir auch städtebaulich was dran ändern.”
Zugleich brauche es nicht eine Maßnahme, sondern ein Netzwerk vieler Maßnahmen gegen Einsamkeit. Dazu gehöre Partizipation. Diejenigen, die sich einsam fühlten, müssten eingebunden werden, darunter eine wachsende Zahl junger Menschen – in ihrer Vielfalt. “Da macht es einen Unterschied, ob ich in der dritten Generation in einem migrantischen Umfeld in Stuttgart lebe oder ob ich bio-deutsch in Sachsen bin”, so Lilie. Es brauche einen langen Atem, mehr Geld, mehr Forschung und ein Zusammenspiel aus Politik und Zivilgesellschaft.
Der Frankfurter Soziologe Alexander Langenkamp hatte zuvor davor gewarnt, Einsamkeit zu individualisieren. Es gebe Strukturen, die Einsamkeit förderten. Zugleich zeigten Daten, dass bei Menschen, die sich über die Zeit einsamer fühlten, auch die Entfremdung und das Misstrauen wachse. “Einsame Menschen nehmen die Gesellschaft als konfliktbehafteter wahr”, so Langenkamp. Dabei könne man Einsamkeit wunderbar kaschieren und verstecken.