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Ex-Bischofskonferenz-Chef Zollitsch feiert Diamant-Priesterjubiläum

Die Aufarbeitung von Robert Zollitschs Verantwortung im Missbrauchsskandal kam spät. Die Verdienste des langjährigen Freiburger Erzbischofs gerieten in den Hintergrund. Am 27.5. begeht er sein 60-jähriges Priesterjubiläum. In aller Stille.

Seine Kirchenkarriere verlief steil, über Jahre prägte Robert Zollitsch die katholische Kirche in Baden-Württemberg und bundesweit entscheidend mit. Als Freiburger Erzbischof (2003-2014) und Bischofskonferenz-Vorsitzender (2008-2014). Zollitsch zog Fäden zur Politik auf Landes- und Bundesebene. Doch der Höhenflug endete mit den Recherchen zu seinen Fehlern im Umgang mit den Opfern von sexualisierter Gewalt durch Priester und Kirchenmitarbeiter.

Der emeritierte Erzbischof zog sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. Seit mehreren Jahren wohnt er in einer Caritas-Senioreneinrichtung in Mannheim. In der Stadt, in der der Donauschwabe schon seine Jugend verbrachte.

Am Dienstag (27.5.) begeht der 86-Jährige nun sein diamantenes Priesterjubiläum – er wurde vor genau 60 Jahren Priester. Eine Feier wird es nicht geben. Und auch zu seinem Nachfolger Erzbischof Stephan Burger oder zur aktuellen Bistumsleitung hat Zollitsch kaum Kontakt. Zum Diamant-Jubiläum hat Burger ein Gratulationsschreiben geschickt. Darin werden neben den gelungenen Aspekten seines bischöflichen Wirkens auch die Schattenseiten und die Hinweise auf den Bereich Vertuschung sexualisierter Gewalt benannt, sagte ein Bistumssprecher auf Anfrage.

Der leitende Mannheimer Pfarrer Karl Jung wird Zollitsch persönlich zu dem für Priester besonderen Tag gratulieren. In regelmäßigen Abständen besucht er den emeritierten Erzbischof. “Ich kenne ihn schon sehr lange, er war während meiner Ausbildung Leiter des Priesterseminars.” Zollitsch sei in der Caritas-Alteneinrichtung gut integriert. “Er ist in guter Weise ein Seelsorger für die Hausgemeinschaft”, berichtet Jung. Interviewanfragen zum Jubiläum lässt Zollitsch über seinen Pressesprecher und Anwalt ablehnen.

Ein Wendepunkt in Zollitschs Leben bedeutete der Anfang 2023 veröffentlichte Expertenbericht zu Missbrauch und Vertuschung im Erzbistum Freiburg. Die Dokumentation wirft Zollitsch vielfachen Rechtsbruch vor. Betroffenen habe er als Personalchef und Bischof nicht zugehört, sie hätten bei ihm keine Hilfen oder Unterstützung gefunden. Statt Beschuldigte oder Überführte zu stoppen, wurden sie laut Bericht in andere Kirchengemeinden versetzt, wo erneut Minderjährige zu Opfern wurden.

Zollitsch räumte in einem im Internet veröffentlichten Video schwere Fehler und moralische Schuld ein. Er habe das Ausmaß von Missbrauch und Leid unterschätzt. Dafür bat er um Verzeihung – und fügte an, dass er wisse, keine Annahme dieser Entschuldigung erwarten zu können.

Eigentlich waren das klare Worte. Aber der Schluss des Videos verhinderte, dass die Öffentlichkeit das Schuldeingeständnis würdigte. Denn darin beschrieb sich Zollitsch als Aufklärer, der auch gegen Widerstände die Aufarbeitung vorangebracht habe.

Geboren am 9. August 1938 in Filipovo im ehemaligen Jugoslawien, musste Zollitsch als Kind zusehen, wie Tito-Partisanen im November 1944 seinen Bruder und 200 weitere Dorfbewohner ermordeten. “Ich habe die schlimmen Erfahrungen von Krieg, Flucht und Vertreibung machen müssen. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn bewaffnete Soldaten Mütter mit ihren Kindern zwingen wollen, auf einen Lastwagen zu steigen, um ins Lager deportiert zu werden. Und ich weiß auch, was es bedeutet, sich in fremder Umgebung eine neue Existenz aufbauen zu müssen”, berichtete er einmal.

Mit seinen Eltern floh Zollitsch nach Mannheim und dachte nach dem Abitur zunächst über ein Literatur- oder Geschichtsstudium nach. Er fühlte sich dann aber doch zum Priester berufen. “Ich wollte anderen Menschen helfen, im Glauben ein sinnvolles Leben zu führen”, sagte er rückblickend. Seiner Liebe zur Literatur, etwa zu Heinrich Böll und Günther Grass, blieb Zollitsch treu.

20 Jahre lang war er dann Personalchef des Erzbistums Freiburg. Effizient organisierte er die Seelsorge. 2003, mit 64, wurde er überraschend Bischof. Auch als Chef des Erzbistums erarbeitete er sich rasch einen guten Ruf als Organisator, der über die Bistumsgrenzen hinaus wirkte. 2008 wählten ihn die Bischöfe zum Vorsitzenden ihrer Konferenz. Eine Rolle mit großer öffentlicher Ausstrahlungskraft. Zollitsch war damit ein wichtiger Akteur auf der bundespolitischen Bühne.

“Christen dürfen sich nicht verstecken, sondern müssen die Gesellschaft mitgestalten. Antworten geben auf drängende Fragen wie jene nach der Bewahrung der Schöpfung oder der wachsenden sozialen Ungleichheit”, so seine Überzeugung.