Von Uwe Birnstein
Eigentlich wollte der rheinländische Religionswissenschaftler und Schriftsteller Georg Schwikart katholischer Diakon werden. Doch nach langer Ausbildung verweigerte der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner ihm im Herbst 2010 die Weihe. Der Grund: Schwikart sei in seinen Büchern nicht katholisch genug. Schwikart zog die Konsequenzen und konvertierte zur evangelischen Kirche. In seinem neuen Buch beschreibt er seine Gedanken und Erfahrungen in dem Konflikt, an dem der heutige Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki maßgeblich beteiligt war. Für „die Kirche“ sprach Uwe Birnstein mit dem Autor.
Herr Schwikart, braucht die Christenheit überhaupt Konfessionen?Ja, denn unterschiedliche Menschen finden auf die gleiche Frage unterschiedliche Antworten, so ist es im Leben. Es geht bei der Entstehung von Konfessionen immer um zwei entscheidende Fragen. Im Vordergrund steht jene: Was ist der richtige Weg des Glaubens? Im Hintergrund aber geht es darum: Wer hat das zu bestimmen? Das war übrigens von Anfang an so. Schon der Apostel Paulus beklagte Spaltungen in der Gemeinde von Korinth, in der einige sagten: „Ich halte zu Paulus“, andere: „Ich zu Apollos!“, „Ich zu Kephas!“, „Ich zu Christus!“ An Ihrem Konflikt war maßgeblich der jetzige Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki beteiligt, der als fortschrittlich und alltagsnah empfunden wird. Sie haben andere Erfahrungen mit ihm gemacht. Damals war Seine Eminenz noch Weihbischof in Köln und als solcher – in Vertretung von Kardinal Meisner – für die Ausbildung der Ständigen Diakone zuständig. Bedenken Sie, in Köln hatte Woelki noch einen Kardinal über sich, in Berlin ist er selbst der Boss. Natürlich kann er da freier reden und walten. Dennoch wundere ich mich über seine Wandlung. Immerhin führte er einen seltsamen Grund für die Ablehnung meiner Weihe an: In einem Gespräch verwies er auf ein Aufklärungsbuch von mir. Darin hatte ich geschrieben: „Es gibt auch Männer, die Männer lieben.“ Auf meine Frage, was an diesem Satz kritikwürdig sei, erhielt ich die Antwort, das widerspräche aber der Schöpfungsordnung, das hätte ich schreiben müssen …Haben Sie Hoffnung, dass sich in der katholischen Kirche etwas ändert, dass es liberaler wird in diesem Punkt?Zunächst einmal: Ich kann kaum glauben, dass Woelki das wirklich so sieht. Aber als katholischer Bischof verteidigt er die offizielle Linie seiner Kirche. Der Mann ist doch nicht naiv. Er weiß so gut wie ich, dass überproportional viele katholische Amtsträger schwul sind. Auf dem Mannheimer Katholikentag soll er sinngemäß gesagt haben, wenn zwei homosexuelle Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, sei das wertzuschätzen. Das klingt noch verschwurbelt, geht aber in die richtige Richtung. Ich prophezeie: Zehn Jahre Berlin, und Woelki macht sich nichts mehr vor über den Menschen des dritten Jahrtausends. Die normalen Katholiken sind da angenehm pragmatisch. Sie akzeptieren den schwulen Pastor, der mit seinem Freund im Pfarrhaus wohnt. Sie wissen, das sind Menschen wie du und ich, und es macht keinen Sinn, jemand nach seiner sexuellen Orientierung zu beurteilen.