VonJasmin Benyahya
dk/epd: Die Prognosen für Europa im Jahr 2013 sind dramatisch: Laut einer Studie der Wirtschaftsprüferagentur Ernst [&] Young wird die Zahl der Arbeitslosen in den Ländern der Euro-Zone auf 20 Millionen ansteigen. Im November war sie mit 18,8 Millionen so hoch wie nie zuvor. Besonders bedroht sind Spanien und Griechenland, das noch dazu immer wieder am Rande einer Staatspleite steht. Anfang des Jahres warnte Europa-Sozialkommissar Lázsló Andor vor einer neuen Kluft zwischen einem reichen Norden und einem armen Süden. Angesichts dieser Dauerkrise wurde im Sommer 2012 eine groß angelegte Kampagne unter dem Motto „Ich will Europa“ gestartet. Initiiert wurde sie von deutschen Stiftungen, allen voran der Robert-Bosch- und der Mercator-Stiftung. Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport werben für die Vorteile der europäischen Integration. Etwas spät zwar haben jetzt auch die Spitzenvertreter der beiden großen Kirchen sowie der Juden und Muslime in Deutschland ihre Unterstützung der Kampagne „Ich will Europa“ zum Ausdruck gebracht. In Europa lebten Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen friedlich zusammen, werben der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider, der katholische Erzbischof Robert Zollitsch sowie Dieter Graumann vom Zentralrat der Juden und Aiman A. Mazyek vom Zentralrat der Muslime.
Jasmin Benyahya sprach mit Nikolaus Schneider über die Beweggründe für die Unterstützung der Europakampagne und den Beitrag, den die Glaubensgemeinschaften leisten können.
Warum ist es Ihnen gerade jetzt wichtig, mit einem gemeinsamen Statement der großen Religionsgemeinschaften in Deutschland für ein starkes Europa einzutreten?Europa ist ein großartiges Friedensprojekt. Damit fing alles an. In den vergangenen Jahrzehnten waren Wirtschaft, Handel und Wandel die bestimmenden Parameter. Das allein reicht jedoch nicht aus. Wenn viele Menschen arbeitslos werden, wenn den jungen Leuten zunehmend die Perspektive fehlt, dann wird Europa an Strahlkraft verlieren. Es reicht dann nicht mehr aus, dass man eine Währung hat und dass man miteinander Handel treibt, sondern die Menschen brauchen Zukunftsperspektiven. Wir müssen wieder darauf drängen, dass Europa ein kultureller und sozialer Gestaltungsraum wird. Die alten Römer sagten: „Ubi bene, ibi patria.“ Dort, wo es mir gut geht, dort ist mein Heimatland. Dass wir das auch heute von Europa als Ganzem sagen können, dazu wollen wir als Kirchen und als Religionsgemeinschaften unseren Beitrag leisten. Gerade das Christentum hat die Kultur Europas wesentlich geprägt. Es ist an uns allen, gleichgültig welcher Religion wir angehören, den Menschen Mut zu machen, Gemeinschaft in Europa zu leben.Wie leben die Glaubensgemeinschaften das europäische Motto „In Vielfalt geeint“? „In Vielfalt geeint“ als europäisches Motto passt gut zum protestantischen Prinzip der „Einheit in Vielfalt“. Wir Protestantinnen und Protestanten haben gelernt, Vielfalt nicht als eine Bedrohung zu erleben, sondern als eine Kraft und eine Gabe, die uns bereichert. Diese Erfahrung wollen wir auch in Europa einbringen.
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