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EU-Skeptiker werden drittstärkste Fraktion – ohne AfD

Der Unmut vieler Bürger über die Politik aus Brüssel hat ihnen Rückenwind gegeben. Jetzt bilden Rechtsextreme und Rechtspopulisten eine starke Fraktion im Europaparlament. Die AfD plant noch ein eigenes Bündnis.

Eine neue Fraktion von Rechtspopulisten und Rechtsextremen unter dem Namen “Patrioten für Europa” wird drittstärkste Kraft im Europäischen Parlament. Wie das von Ungarns Regierungschef Viktor Orban (Fidesz), dem früheren tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babis (ANO) und dem ehemaligen österreichischen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) initiierte Bündnis am Montag in Brüssel bekanntgab, werden die “Patrioten” über 84 Abgeordnete aus zwölf Ländern verfügen – nach den Christdemokraten mit bislang 188 und den Sozialdemokraten mit 136 Sitzen.

Vertreter der Liberalen und Grünen äußerten sich besorgt und riefen die pro-europäischen Kräfte zum Zusammenhalt auf.

Erster Vorsitzender wird der Chef des rechtsextremen Rassemblement National, Jordan Bardella. Die neue Fraktion besteht im Wesentlichen aus Mitgliedern der früheren “Identität und Demokratie” (ID), in der sich EU-kritische Rechtspopulisten zusammengeschlossen hatten. Montag wurde bekanntgegeben, dass sich die italienische Lega von Matteo Salvini den “Patrioten” anschließt. Die ebenfalls in Teilen rechtspopulistische Fraktion “Europäische Konservative und Reformer” unter anderen mit den “Fratelli d’Italia” von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist damit nur noch viertstärkstes Bündnis.

Der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs teilte auf X mit, die Fraktion werde “für die Zukunft und Souveränität des europäischen Volks kämpfen”. Die ungarische Fidesz-Abgeordnete Kinga Gal, die zur ersten Vizepräsidentin der “Patrioten” gewählt wurde, erklärte: “Die EU braucht einen grundlegenden Wandel, und wir werden ihn umsetzen.”

Die deutsche FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte, es gebe “Gott sei Dank noch eine Mehrheit von Demokraten”. Gleichwohl sei diese Basis schmaler geworden; das erfordere engere Zusammenarbeit und mehr Disziplin unter den pro-europäischen Mandatsträgern. Die Verteidigungsexpertin, die von Berlin nach Brüssel wechselt, bezeichnete es als Gefahr, wenn Parteien sich auf demokratischem Weg in eine Institution wählen ließen, die sie dann “mit ihrer antieuropäischen Haltung untergraben”.

Die Grünen-Ko-Vorsitzende Terry Reintke erklärte mit Blick auf die Gründung der “Patrioten” und den Schulterschluss mit dem französischen Rassemblement National: “Die neue Allianz aus Putin-freundlichen und rechtsextremen Kräften im Europäischen Parlament ist ein Geschenk an Moskau und zielt darauf ab, die europäische Demokratie zu destabilisieren.” Reintke forderte die anderen Fraktionen auf, “die Brandmauer aufrechtzuerhalten und dieser anti-europäischen Bewegung gemeinsam entgegenzutreten”.

Die Alternative für Deutschland (AfD), die bei der Europawahl am 9. Juni 15 der 96 auf Deutschland entfallenden Sitze errang und damit das zweitbeste Ergebnis unter den deutschen Parteien erzielte, wird kein Teil der “Patrioten”. Die AfD bemüht sich stattdessen, ein eigenes Bündnis unter dem Titel “Europe of Sovereign Nations” zu formieren. Die neue Fraktion müsste sich spätestens am Tag vor der konstituierenden Sitzung des Parlaments am 16. Juli der Parlamentspräsidentin kundtun.

Die Europa-AfD war kurz vor der Wahl zum Europäischen Parlament aus ihrer alten Fraktion ID ausgeschlossen worden. Hintergrund war eine Kontroverse um ihren Spitzenkandidaten Maximilian Krah.