Der Oppositionskandidat Karol Nawrocki hat sich in der Stichwahl für das Präsidentenamt in Polen durchgesetzt. Ein Warschauer Experte sieht neben der Regierung auch die katholische Kirche als Verlierer.
Neuer polnischer Präsident wird im August der Nationalpopulist Karol Nawrocki. In seinem Wahlkampf warnte der 42 Jahre alte Politikneuling immer zu vor einem Machtmonopol der Regierungspartei Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsident Donald Tusk. Das brachte dem EU-Skeptiker den Sieg bei der Stichwahl am Sonntag – allerdings den bisher knappsten bei einer Präsidentenwahl in Polen. 50,89 Prozent stimmten für Nawrocki und gegen den Bewerber aus dem Regierungslager, den liberalen Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski.
Auch die PO-freundliche Warschauer Zeitung “Gazeta Wyborcza” wertete das Ergebnis als “Rote Karte für Tusks Regierung”. Polen stünden nun sehr starke Turbulenzen ins Haus, sagte Vizechefredakteur Roman Imielski in einem Kommentar am Montag auf der Zeitungs-Webseite voraus. Nawrocki und die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die ihn im Rennen um das Präsidentenamt massiv unterstützte, würden “alles daran setzen, vorgezogene Parlamentswahlen herbeizuführen und nicht bis 2027 zu warten”. Imielski rechnet mit einer “Behinderung der Parlamentsarbeit und einen politischen Clinch im Sejm”, dem Unterhaus.
Der Präsident spielt in Polen bei der Gesetzgebung eine Schlüsselrolle. Er kann nach Belieben sein Veto gegen Gesetze einlegen, die das Parlament verabschiedet hat. Und der aktuellen Mitte-Links-Koalition von Tusk fehlt im Sejm eine eigene Drei-Fünftel-Mehrheit, um ein Nein des Präsidenten überstimmen zu können. Der scheidende Präsident Andrzej Duda konnte so etwa problemlos verhindern, dass die seit 2023 regierende PO die hochumstrittene Justizreform der nationalkonservativen Vorgängerregierung rückgängig macht und PiS-treue Richter abberuft.
Nawrocki kündigte direkt nach Schließung der Wahllokale um 21 Uhr an: “Wir werden nicht zulassen, dass sich die Herrschaft Donald Tusks ausbreitet und das Monopol der schlechten Regierung, die sich nicht um die öffentlichen Finanzen kümmert, zustande kommt.” Versöhnende Worte: Fehlanzeige.
Trzaskowski hatte am Sonntagabend nach der ersten Wahlprognose, in der er führte, hingegen betont, er wolle als Erstes dem anderen politischen Lager die Hand reichen. Nach der überraschenden Wende schwieg er dann aber zunächst.
Präsident Duda gratulierte Nawrocki euphorisch. “Vielen Dank für diesen heldenhaften Kampf bis zur letzten Minute der Kampagne! Vielen Dank für den Sieg! Bravo!”, schrieb der nationalkonservative Politiker auf der Plattform X. Polens Verfassung erlaubte Duda keine dritte fünfjährige Amtsperiode.
Für Brüssel, Kiew und Berlin wäre Trzaskowski als Präsident besser gewesen. Da sind sich polnische Kommentatoren einig. Nawrocki polemisiert gern gegen die EU und auch mal gegen die Ukraine. Einer Nato-Mitgliedschaft des Nachbarlandes erteilte er eine Absage. Und auch die antideutsche Karte zog er im Wahlkampf. Seine Parole lautet: “Polen zuerst!” Die Souveränität des eigenen Landes müsse bewahrt werden. Zugleich warb er mit seiner Nähe zu US-Präsident Donald Trump für sich.
Das Glückwunschschreiben von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an Nawrocki kann man durchaus als Sorge um die bilateralen Beziehungen lesen. “Die deutsch-polnische Freundschaft ist mir ein Herzensanliegen. Lassen Sie uns gemeinsam die Freundschaft unserer Völker stärken!”, rief er den künftigen polnischen Präsidenten auf.
Der Polenbeauftragte der Bundesregierung, Knut Abraham, erwartet zwar ein weniger harmonisches Verhältnis zum östlichen Nachbarn, sieht die Grundlagen der Beziehung aber nicht in Gefahr. “Die Tonalität in der polnischen Deutschland- und Europapolitik mag mit Nawrocki etwas unharmonischer werden, an den Grundkoordinaten Polens wird sich dennoch nichts Wesentliches ändern. Die Mitgliedschaft in EU und Nato und die Unterstützung der Ukraine bleiben Pfeiler der Ausrichtung des Landes,” sagte Abraham dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Chefredakteur des Portals “ekumenizm.pl”, Dariusz Bruncz, sieht in Nawrockis Sieg “ein noch radikaleres Auseinanderdriften der Gesellschaft, die nun noch unversöhnlicher dasteht als vor dem Wahlkampf”. Es handle sich jedoch nicht um eine Kehrtwende. Denn die polnische Gesellschaft sei nach westeuropäischen Maßstäben stets konservativ gewesen, sagte der Kulturwissenschaftler der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Warschau.