Ratzeburg. Manchmal klingelt sein Telefon schon in den frühen Morgenstunden, dann zieht sich Jürgen Hensel die lila Weste über, die ihn als Seelsorger ausweist, und fährt los, den Helfern helfen. Hensel ist Notfall- und Feuerwehrseelsorger im Kreis Herzogtum Lauenburg. Die Leitstelle ruft den 56-Jährigen an, wenn ein Team einen belastenden Einsatz hatte oder wenn Angehörige ihn brauchen. Er hört zu, wenn sich Feuerwehrleute von der Seele reden müssen, dass sie einen Jugendlichen nur noch tot aus einem Unfallauto bergen konnten, wenn es Sanitätern nicht gelungen ist, das kleine Herz eines Säuglings wieder zum Schlagen zu bringen, oder wenn ein Infarkt ein Mann aus dem Leben gerissen hat. Hensel schenkt Zeit, ist da, und leistet „erste Hilfe für die Seele“.
Hensel bescheinigt sich selbst eine „Blaulichtaffinität“. Schon seinen Zivildienst hat er beim Rettungsdienst absolviert. Mit der Arbeit als Rettungssanitäter finanzierte er sich das Theologiestudium. In Ratzeburg trat der Gemeindepastor vor sechs Jahren auch der Freiwilligen Feuerwehr bei und fährt bis heute mit in den Einsatz, wenn die Wehr gerufen wird, egal ob sie eine Ölspur beseitigen oder bei einem Verkehrsunfall helfen muss.
Auch als Feuerwehrmann im Einsatz
Frauke Eiben, Pröpstin im Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg, wusste von seinem Engagement und sprach ihn deshalb an, als die Stelle in der Notfallseelsorge neu besetzte werden sollte. Hensel sagte zu, obwohl sein Herz auch an der Gemeindearbeit hängt. Er begann mit einer Viertelstelle, nach und nach wurde sein Einsatzbereich immer größer. Seit 1. September arbeitet er in Vollzeit als Seelsorger und ist zusammen mit acht weiteren „Nachsorgern“ für den gesamten Kreis Herzogtum Lauenburg mit seinen 120 Wehren und rund 170 Mitarbeitern im Rettungsdienst zuständig.
Seine eigenen Erfahrungen helfen ihm. Er findet es wichtig zu wissen, wovon Haupt- und Ehrenamtliche sprechen. Nur wenn sie ihm vertrauen, wenden sie sich an ihn. Davon ist er überzeugt. So ist er nun manchmal in unterschiedlichen Rollen im Einsatz: entweder als Feuerwehrmann bei seiner Wehr oder als Seelsorger.
Rund 200 Menschen pro Jahr brauchen die seelsorgerliche Hilfe von ihm oder einem seiner Kollegen. Die Notfalleinsätze dauern im Durchschnitt rund zweieinhalb Stunden. Manchmal begleitet Hensel jemanden aber auch über mehrere Monate, so wie den Feuerwehrkameraden, der seine junge Frau durch einen Unfall verlor. Die zwei Kinder des Paares waren noch klein. „Das geht einem sehr nach“, sagt Hensel.