Von Sabine Meißner
Es gibt nur noch wenige Grabmalbetriebe in Berlin, im Bezirk Neukölln derzeit nur noch ein einziger: der alteingesessene Betrieb „Schmidt Grabmale“ in der Hermannstraße 100 auf dem Gelände des Neuen St. Jacobi Friedhofs. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Betrieb von Willy Schmidt gegründet. Dessen Schüler, der Steinmetzmeister Eberhard Damerau, feierte im Jahr 2020 mit seinen beiden Gesellen das Jubiläum zum 75-jährigen Bestehen. In diesem Sommer wird Damerau den Traditionsbetrieb für immer schließen müssen. Dabei würde er gern weitermachen und eines Tages „in der Werkstatt tot umfallen“, wie er seinen letzten Wunsch formuliert. Der Wunsch des 76-Jährigen wird wohl unerfüllt bleiben.
Urbanes Gärtnern statt Grabmalwerkstatt
2019 wurde der Friedhof für neue Beisetzungen geschlossen. Damerau muss bald von seinem Standort auf dem 7,5 Hektar großen Gräberfeld weichen. Das hängt mit den Plänen des Friedhofseigentümers zusammen: Der Evangelische Friedhofsverband Berlin-Stadtmitte (EvFBS) hat im Rahmen seines Friedhofsentwicklungsplanes einen Vertrag mit dem gemeinnützigen Unternehmen „Nomadisch Grün“ geschlossen und damit dem Projekt „Prinzessinnengärten“ einen Platz für urbanes Gärtnern eingeräumt. Das Projekt, das bereits am Kreuzberger Moritzplatz aktiv ist, zieht junge Leute auf die Fläche, die nun zweigeteilt ist. Im vorderen Bereich werden Gräber gepflegt, hinten wird gegärtnert.
Die Meinungen der Friedhofsbesuchenden zu den Plänen fallen unterschiedlich aus. Einige gefällt diese Entwicklung, weil sie auch spielende Kinder auf die Fläche bringe. Andere äußern Missfallen, weil es ihnen zu laut geworden sei oder sie bereits beobachtet haben wollen, dass in der Abgeschiedenheit des Begräbnisortes auch eine Nische für den Konsum von Drogen und Alkohol entstanden sei.
Der EvFBS hat Pläne mit der gesamten Friedhofsfläche und teilt auf Anfrage mit, dass mit dem Bezirk Neukölln 2016 ein Entwicklungskonzept beschlossen wurde, wonach ein Teil der Friedhofsflächen zur öffentlichen Nutzung als Grünfläche zu erhalten sei. Die Kosten dafür trage nicht der Berliner Senat, weshalb der EvFBS Partner suche, mit denen er diese Grünflächen für die öffentliche Nutzung erhalten und gestalten kann. „Die Ansiedlung dieser Partner, die mit den bereits auf dem Neuen Jacobi Friedhof tätigen Prinzessinnengärten zusammenarbeiten sollen, ist auf der bebauten Fläche des bisherigen Steinmetzbetriebes geplant“, heißt es seitens des EvFBS.
Steinmetz Damerau hat seit mehreren Jahren Kenntnis von diesen Plänen und einem gerichtlichen Vergleich zugestimmt. Er bestätigt, dass dieser Vergleich, zu dem er sich nach eigener Aussage genötigt sah, das Mietverhältnis zum 30. Juni 2021 beendet. Man habe eine Verlängerung von einigen Monaten angeboten, auf die Damerau nicht einging. „Es ändert an der Situation nichts“, sagt der Meister. Er fühle sich hier nur noch befristet geduldet. Dem Vorschlag des EvFBS, nach einer Ersatzfläche auf einem anderen Friedhof zu suchen, könne er nicht folgen: „Die alten Steinbearbeitungsmaschinen kann man nicht an einen anderen Ort verpflanzen.“