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Einflussnahme befürchtet

Kritik von Politikern und Experten an DITIB und insbesondere an seiner Beteiligung am islamischen Religionsunterricht hält an. Verband sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt

© epd-bild / Stefan Arend

BERLIN/FRANKFURTAM MAIN/FREIBURG/KÖLN/MÜNSTER – Der Einfluss des türkeinahen Islamverbandes DITIB in Deutschland sorgt unter Politikern und Experten weiter für Kritik. Besonders betrifft das die Beteiligung DITIBs an der Gestaltung des islamischen Religionsunterrichts in mehreren Bundesländern, darunter Vorreiter Nordrhein-Westfalen. In der Diskussion über Kooperationen mit dem Verband wurde dieser erneut zur Distanzierung von der Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aufgefordert. Politiker mehrerer Parteien fordern aber auch, weiter den Kontakt zu suchen. Der Dachverband, der bundesweit rund 900 Moscheevereine vertritt, hat unterdessen die Vorwürfe scharf zurückgewiesen.

Mit DITIB im kritischen Gespräch bleiben

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, DITIB sei „offenbar Sprachrohr von Präsident Erdogan“ und sollte deshalb keinen islamischen Religionsunterricht in Schulen gestalten. Kauder sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er beobachte mit Sorge „Versuche der Einflussnahme“ der türkischen Regierung auf die in Deutschland lebenden türkischstämmigen Bürger. Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, verlangte von DITIB, die „Eigenständigkeit unter Beweis zu stellen“. Eine Zusammenarbeit könne nur fortgesetzt werden, wenn sich DITIB nicht als „unkritisches Sprachrohr instrumentalisieren lässt“, sagte Mayer der „Welt“.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte, DITIBs Einfluss auf den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zurückzudrängen. DITIB gehe es „in erster Linie um Politik und nicht um Religion“, sagte Özdemir der „Bild“-Zeitung. Man dürfe nicht zulassen, dass der türkische Präsident über DITIB „unter dem Deckmantel der Religion“ seine Ideologie direkt an deutschen Schulen verbreite.
Kerstin Griese, kirchen- und religionspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, sagte, es könne nicht geduldet werden, „dass Erdogans Politik in deutsche Moscheegemeinden hineingetragen wird“. Griese sagte der „Welt“, sie erwarte, dass der Verband „die Verhaftungswelle sowie die Einschränkungen von Demokratie und Meinungsfreiheit in der Türkei nicht rechtfertigt oder gar unterstützt“. Für die Grünen betonte Volker Beck, es sei gut, dass die „deutsche Politik“ im Umgang mit  DITIB „ihre Naivität“ ein Stück weit abgelegt habe. Griese und Beck forderten aber auch dazu auf, mit DITIB  im kritischen Gespräch zu bleiben.
Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Armin Laschet forderte im Deutschlandfunk eine Reform des Verbands. DITIB müsse „sich völlig neu organisieren und auch unabhängig machen“. Laschet verwies aber auch darauf, dass deutsche Behörden über Jahrzehnte froh gewesen seien, dass DITIB sich um die türkischen Gläubigen gekümmert habe. Weil DITIB vom türkischen Staat abhängig sei, sei damit auch garantiert gewesen, „dass ein Islam in den Moscheen gepredigt wurde, der mit dem Grundgesetz vereinbar ist“, sagte er.
Der Islam-Experte Abdel-Hakim Ourghi sagte im Deutschlandfunk, in einigen Moscheen von Dachverbänden wie DITIB finde eine Radikalisierung durch Imame aus dem Ausland statt. Als Beispiel nannte der Leiter des Fachbereichs Islamische Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg die DITIB-Moschee in Dinslaken.
Die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, fordert von DITIB überzeugende Konzepte, wie er sich aus der Abhängigkeit vom türkischen Staat lösen will. Wenn der Verband weiterhin glauben machen wolle, dass er eine unabhängige Organisation in Deutschland sei, müssten sich seine Funktionäre „jenseits der Wort­hülsen von Demokratie und Verfassung“ äußern. So müsse DITIB einen Fahrplan entwickeln, wie Imame von deutschen Universitäten kommen und nicht mehr aus der Türkei, sagte die Ethnologin im WDR-Radio.
Die Ausbildung von Geistlichen steht allerdings noch ganz am Anfang. So bestätigten auf Anfrage mehrere Lehrstühle, dass es noch keine Verbindung gibt zwischen den Universitäten und den Verbänden, die letztlich die Absolventen praktisch ausbilden, anstellen und bezahlen müssten. Der Münsteraner Islam-Professor Mouhanad Khorchide sagte dazu, eine Kooperation mit den Verbänden werde angestrebt. Aber: „Die Eta­blierung der islamischen Theologie an den Hochschulen mit dem Ziel der Ausbildung von Imamen wird von manchen als Konkurrenz zu der eigenen Ausbildung gesehen.“ Hier stelle sich „grundsätzlich die Frage, inwieweit die Verbände bei der Ausbildung mit den Lehrstühlen kooperieren wollen“, sagte er.

DITIB weist Vorwürfe der Abhängigkeit zurück

Der türkisch-islamische Verband DITIB hat Vorwürfe scharf zurückgewiesen, von der Türkei inhaltlich abhängig zu sein. Vorwürfe gegen die Religionsgemeinschaft seien „tendenziös, in einigen Teilen gar offen feindselig und in jedem Fall ohne Bezug zu unserer täglichen Arbeit“, heißt es in einer in Köln veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der 15 DITIB-Landesverbände und des Bundesvorstandes: „Sämtliche Unterstellungen der Fremdsteuerung, der politischen Einflussnahme aus der Türkei, der politischen Agitation und der Gefährlichkeit unserer Religionsgemeinschaft weisen wir aufs Schärfste zurück.“
Die DITIB-Landesverbände in Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen seien in gutachterlichen Prüfungen „als verfassungstreue Religionsgemeinschaften im Sinne unseres Grundgesetzes festgestellt worden“, erklärte der Verband weiter. Die Vorwürfe, der Verband werde aus der Türkei gelenkt, schadeten dem Zusammenleben in Deutschland. epd/KNA/UK