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Eine Papstwahl im Schatten der Missbrauchs-Skandale

Seit langem plagen Skandale um sexuellen Missbrauch an Minderjährigen die katholische Kirche. Die Frage, wer wie mit solchen Fällen umgegangen ist, ist beim Konklave wichtig. Und noch eine Frage kann entscheidend sein.

Bei der Papstwahl in dieser Woche spielt der lange Zeit zögerliche Umgang von Bischöfen mit Fällen von sexuellem Missbrauch im Klerus eine wichtige Rolle. Das wurde bereits im sogenannten Vorkonklave deutlich. In mindestens zwei der zwölf Kardinals-Versammlungen im Vatikan wurde über das unangenehme und doch unausweichliche Thema gesprochen.

Die Skandale seien dort als ein Hindernis für die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Botschaft explizit benannt worden, hieß es. Vergleichbares hat es noch vor keinem anderen Konklave gegeben – und das, obwohl die kirchlichen Missbrauchsskandale bereits im Vorfeld der Papstwahlen von 2005 und 2013 viele Kirchenmitglieder verunsicherten.

Dass diesmal auch die Kardinäle das Thema offen benennen, hat mehrere Ursachen. Vereinigungen von Missbrauchsbetroffenen wie die aus den USA kommende Organisation Snap (Survivors Network of Those Abused by Priests) oder die deutsche Vereinigung “Eckiger Tisch” haben mit Presseerklärungen kurz vor dem Konklave das Thema erneut ins Rampenlicht gerückt.

Auf ihren Webseiten sowie auf Portalen wie bishop-accountability.org sorgen die Betroffenen und ihre Mitstreiter dafür, dass jeder Medienbericht über mutmaßliche Verfehlungen oder Unzulänglichkeiten von Bischöfen im Umgang mit tatverdächtigen Klerikern leicht zugänglich ist. Und diese Seiten können nun auch von den Kardinälen konsultiert werden – sowohl von möglichen Kandidaten als auch von ihren möglichen Wählern.

Nach drei Jahrzehnten Missbrauchs-Skandal und zahllosen Berichten in Medien und digitalen Netzwerken haben auch viele Kardinäle inzwischen Erfahrung im Umgang mit Verdachtsberichterstattung. Sie haben gelernt, falschen Alarm und voreilige Beschuldigungen von harten Fakten und Urteilen zu unterscheiden.

Dennoch hat es zunächst für einige Unruhe gesorgt, als die Vereinigung Snap gleich sechs Kardinäle, darunter einige “papabili”, öffentlich anprangerte. Die Aktivisten erstellten aus bereits bekannten Medienberichten über deren mutmaßliches Versagen im Umgang mit Missbrauchstätern eine “Anzeige”. Eine solche kann gemäß dem von Papst Franziskus veränderten Kirchenrecht jedermann abgeben – ob sie nun rechtlich relevant ist oder nicht.

Im Visier der Snap-Anzeigen standen die Kardinäle Peter Erdö, Victor Fernandez, Mario Grech, Luis Tagle, Robert Prevost und Kevin Farrell. Auf Nachfragen wiesen die derart Angeprangerten die Anschuldigungen umgehend zurück und verwiesen darauf, dass die meisten Fälle längst durch Tod der Täter oder einschlägige Urteile der vatikanischen Glaubensbehörde erledigt seien.

Auch der oberste Kinderschutzexperte im Vatikan, Jesuitenpater Hans Zollner, beurteilte die Inszenierung von Snap kritisch. Zugleich erklärte er, dass das Thema Missbrauch und vor allem die Schaffung sicherer Räume in der Kirche für den kommenden Papst zentral sein werde. Mit dieser Bemerkung lenkt Zollner den Blick auf die Zukunft. Denn ebenso wichtig wie die Frage, wie sich ein möglicher neuer Papst in seiner Vergangenheit gegenüber Tätern verhalten hat, ist jene, was er in Zukunft als Papst auf diesem Gebiet zu tun verspricht.

Zwar haben die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus, wie Zollner betont, bereits wichtige Schritte für die Aufarbeitung und für die Prävention von sexuellem Missbrauch unternommen. Vor allem Franziskus hat die Kirchen-Gesetze verschärft und neben der Bestrafung von Tätern auch die von Vertuschern möglich gemacht.

Dennoch bleiben noch viele Lücken, um ein konsequentes Durchgreifen gegen Missbrauch in allen Ländern und Kulturen durchzusetzen. Ein Kandidat, der auf diesem Gebiet Nachlässigkeit oder gar Inkonsequenz erkennen lässt, dürfte beim Konklave schlechte Chancen haben. Wer keinen Zweifel an seinem Willen zum Durchgreifen gegen eine Plage lässt, die nicht nur in Deutschland Menschen scharenweise aus der Kirche treibt, kann eher Stimmen auf sich vereinen.