Der Advent ist die Zeit des Wartens. In Erwartung auf das Jesuskind, dessen Geburt wir an Heiligabend feiern, sind diese Tage von Hoffnung und Vorfreude geprägt. So geht es auch werdenden Eltern, wenn sie ihr Baby erwarten. Doch nicht immer wird diese Erwartung erfüllt. Statistisch gesehen verliert jede dritte Frau mindestens einmal im Leben ihr ungeborenes Kind. Die Trauer darum ist in unserer Gesellschaft oft ein wenig beachtetes Thema. Deswegen gibt es jedes Jahr am zweiten Sonntag im Dezember den „Worldwide Candle Lighting Day“, den Gedenktag für sogenannte Sternenkinder.
Alexandra Pfaff ist Hebamme in der Praxis „Ephraims Töchter“ in Bergedorf (Hamburg). Sie hat schon viele Frauen während der Schwangerschaft begleitet und weiß, was es bedeutet, wenn die Erwartung nicht erfüllt wird, weil das Kind vor oder während der Geburt stirbt. „Wenn etwas, das man versucht zu schützen, das so tief und vermeintlich sicher in einem liegt, einem genommen wird, führt das zu Hilflosigkeit.“ Dann komme die Verzweiflung: „Ich kann nichts dagegen tun. Ich würde alles tun, wenn irgendetwas in meiner Macht stehen würde. Kann ich aber nicht“, beschreibt Pfaff das Gefühl der betroffenen Frauen.
Die Hebamme arbeitet eng mit Pastorin Christina Hitscher-Kleszcz aus dem Kirchspiel Bergedorf zusammen. Die Trauer um ein ungeborenes Kind hat noch eine andere Dimension, sagt die Seelsorgerin. „Die Trauer läuft weniger ritualisiert ab, weil sie weniger vertraut und gesellschaftlich weniger sichtbar ist.“ Tod und Sterben seien noch immer Tabuthemen, insbesondere wenn es um sogenannte Sternenkinder, also Kinder, die nicht ins Leben gekommen sind, geht.
Auch während der Geburt im Kreißsaal mache sich diese Hilflosigkeit bereits bemerkbar, sagt Katharina Janzon, leitende Hebamme im Reinbeker Krankenhaus. „Das ist ein ganz großer emotionaler Unterschied“, beschreibt sie die sogenannte stille Geburt. „Man kommt schneller an seine Grenzen, auch emotional, denn mit der Geburt beginnt dann auch der Abschied.“ Ein Aspekt, der bei einer lebenden Geburt nicht vorhanden sei. Als „Berg- und Talfahrt“ bezeichnet sie diese Achterbahn der Gefühle, die auch sie als Hebamme – trotz Professionalität – erlebt.
Dass das Thema Sternenkinder gesellschaftlich nach wie vor tabuisiert wird, zeigt auch der Umgang mit Trauer. „Häufig sind die Frauen angehalten, dann relativ schnell wieder zu funktionieren und haben das Gefühl, das auch zu müssen“, sagt Hitscher-Kleszcz. „Sie merken aber: Ich kann gar nicht funktionieren, weil ich so traurig bin und Platz für meine Trauer brauche.“ Viele wissen gar nicht, wohin mit sich, hätten das Gefühl, auf der Stelle zu stehen, beschreibt die Seelsorgerin.
Diese Trauer und Hilflosigkeit braucht Räume und Rituale, betont Jan Simowitsch, Gemeindepädagoge im Kirchspiel Bergedorf. „Ein Ritual hat eine Form, die Halt geben kann.“ Daher geben er, Pastorin Hitscher-Kleszcz und Hebamme Pfaff dem Gedenken an Sternenkindern jetzt in einer Andacht Raum. „Wir wollen an diesem Tag Menschen einen Ort geben, da gemeinsam durchzugehen. Mit Musik, Raum für Fragen und dem Anzünden einer Kerze.“ Denn für die Pastorin steht fest: „Sterben und Trauer in jeder Form gehören zu unserem Leben dazu.“ Auch die Trauer um ein Sternenkind, die mehr im Schatten stehe.
Die Möglichkeit zum gemeinsamen Gedenken gibt es am Sonntag (8. Dezember) um 18 Uhr in der Franz von Assisi Kirche in Bergedorf und um 15 Uhr in der Klinikkapelle des Reinbeker St. Adolf-Stifts.
Jeder, der sich dem Gedenken anschließen möchte, kann zudem zum „Worldwide Candle Lighting Day“ eine Kerze anzünden und sie um 19 Uhr ins Fenster stellen. Seit 1996 beteiligen sich Menschen weltweit an der Lichtaktion für Sternenkinder. Durch die unterschiedlichen Zeitzonen entsteht eine Lichterwelle, die um die Welt geht. Die Idee geht auf eine Vereinigung verwaister Eltern in den USA zurück.