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Ein Licht für die sichere Heimreise

Was für die einen malerisch-romantische Bauwerke an der Küstenlandschaft sind, ist für die anderen eine notwendige Orientierungshilfe auf See. Schon seit der frühen Antike gibt es Leuchttürme, und seitdem hat sich an ihrem Sinn und Zweck nichts verändert – nur die Technik ist moderner geworden und den nostalgischen Leuchtturmwärter hat die Automatisation geschluckt

Der coolste und wohl eigenwilligste Leuchtturm steht auf der kleinen Insel Lummerland. Auch wenn der Scheinriese Herr Tur Tur nur ein fiktiver Charakter in Michael Endes „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ ist, so hat er doch alle wichtigen Eigenschaften eines richtigen Leuchtturms: Er ist klein und doch groß genug. Er ist standfest und zugewandt. Und er ist freundlich und verschafft Hilfe und Erlösung. Ein bisschen einsam ist er wohl auch, und es umweht ihn etwas gleichsam Geheimnisvolles wie Romantisches.

Der „Urvater“ stand in Alexandria

Die einzige Aufgabe von Leuchtfeuern ist es, Menschen auf ihren Schiffen heimzuleuchten, sie sicher und an allen Untiefen vorbei in ihren Hafen zu bringen.Und ihre Geschichte ist schon uralt.
Denn die Schifffahrt hat seit jeher zwei große Probleme: die Gefahren auf See, Wind, Wetter und Urgewalten, auf der einen Seite und die Gefahren bei der Annäherung an Land mit seinen Untiefen vor den Küsten andererseits. Deshalb hat man schon in sehr frühen Zeiten an Land Feuer angezündet, die den Fischern den gefahrlosen Weg zurück in die Heimat gezeigt haben. Die ersten Überlieferungen solcher Seh- und Seezeichen betreffen zwei Leuchttürme, die auch zu den sieben Weltwundern der Antike gezählt werden: der Pharos von Alexandria und der Koloss von Rhodos.
Der Leuchtturm von Alexandria wird als der Urvater der Leuchttürme angesehen. Da die Häfen von Alexandria Tag und Nacht einen regen Schiffsverkehr aufwiesen und es keine natürlichen Landmarken gab, an denen die Schiffsführer sich hätten orientieren können, musste man ein künstliches Orientierungszeichen errichten. So wurde der Leuchtturm östlich der kleinen Insel Pharos in die Einfahrt des großen Hafens von Alexandria gebaut. Dort markierte er die Hafeneinfahrt und mehrere Riffe, die die Schiffe umfahren mussten. Der Turm wurde etwa in der Zeit von 299 bis 279 vor Christus gebaut und kostete 800 Talente Silber (heutiger Wert etwa 9 Millionen Euro). Wie er genau ausgesehen hat, das weiß man heute leider nicht mehr. Mit seiner Höhe zwischen 115 und 160 Metern war er in seiner Zeit eines der drei höchsten Gebäude der Erde.
Der Turm stand auf einer Plattform aus Granit. Der untere Teil des Turmes war ein Pyramidenstumpf mit quadratischer Grundfläche. Im Sockelteil befanden sich Vorrats- und Lagerräume für Brennmaterialien und Aufenthaltsräume für Handwerker. Durch einen kreisrunden Innenschacht konnten Brennmaterialien zur Laterne heraufgezogen werden. Auf dem Pyramidenstumpf befand sich ein Aufsatz, der die Laterne trug. Gekrönt wurde der Turm von einer Poseidonstatue.
Das Licht soll nachts etwa 56,4 Kilometer weit sichtbar gewesen sein. Der Turm ist, nicht immer als Leuchtturm, lange erhalten geblieben. Endgültig zerstört wurde er spätestens 1375. Viele Leuchttürme in der antiken Seefahrt im Mittelmeerraum und an der Atlantikküste sind nach seinem Vorbild entstanden. Bis heute lebt der Begriff „Pharos“ in vielen romanischen Sprachen als Wort für Leuchtturm oder Laterne weiter: phare (französisch), faro (spanisch) oder frol (portugiesisch).
In der Antike gab es nicht sehr viele Leuchttürme. Das Mittelmeer hat weder nennenswerte Gezeiten noch eine starke Brandung; es war ein Schönwetter-Revier. Man fuhr nur in den Sommermonaten und möglichst nur tagsüber. Zur Orientierung dienten Landzungen und Kaps.
Erst die Römer mit ihrem weitreichenden Einzugsgebiet bauten zahlreiche Leuchtfeuer. Gerade der regelmäßige Betrieb der Anlagen setzte ein funktionierendes Staatswesen im Hintergrund voraus, musste doch ein regelmäßiger Nachschub an Brennmaterial und Personal sichergestellt sein. So soll es im Altertum im Mittelmeerraum zwischen 250 und 300 Leuchtfeuer gegeben haben. Nach dem Untergang des Römischen Reiches waren die Araber die neuen Herrscher des Mittelmeerraumes. Sie orientierten sich gen Osten, und das römische Befeuerungssystem verfiel. Erst als wieder Pilger gen Jerusalem zogen und es zu den Kreuzzügen kam, erwachte die Schifffahrt im Mittelmeer wieder. Gleichzeitig blühte auch der Orienthandel auf, der wegen der erheblichen Warenwerte auf den Schiffen sehr an einer sicheren Schifffahrt interessiert war.
Im Norden Europas entwickelten sich die großen Handelsströme mit der Gründung der Hanse. Die Sicherheitssysteme für die Schiffe fielen aber qualitätsmäßig stark gegen die südlichen Vorbilder ab. So wird in einem Bericht aus dem 16. Jahrhundert noch überliefert, dass auf einer Fahrt von Stralsund nach Kalmar nicht nach Karte und Kompass, sondern nur mit dem Lot navigiert wurde. Leuchttürme hatte die Hanse 1222 in Falsterboe, 1226 in Travemünde, 1286 auf Neuwerk, 1266 auf der Insel Lieps und 1306 auf Hiddensee errichtet. Mit der Erweiterung des Handels über die Meere wurden über die Jahrhunderte hin zunehmend Leuchttürme an gefährlichen Stellen errichtet.

Offene Kohleschalen als Leuchter

Das Bemerkenswerte an den Leuchttürmen waren für die Beobachter und die Geschichtsschreibung immer die Türme selbst. Über die technischen Details der Leuchten, von offenen Kohleschalen, sogenannten Blüsen, bis hin zu komplexen Lampen- und Linsensystemen, wird eher am Rande berichtet. Sie aber waren die anfälligsten Teile des Systems und benötigten eine regelmäßige Pflege und Wartung.
In der Antike waren hier ganze Mannschaften zugange, die die Brennstoffe in die Laterne verbrachten. In der Neuzeit gab es zumeist Gruppen von bis zu vier Leuchtturmwärtern, die sich um ein Leuchtfeuer kümmerten. Mit zunehmender Technisierung reichte zumeist ein Leuchtturmwärter aus, dessen Arbeit und einsames Leben bei vielen Menschen als besonders romantisch angesehen wurde. Heute werden in Deutschland alle Leuchtfeuer automatisch betrieben.