Alles begann in einer Garage. Die stand aber in diesem Falle mal nicht im Silicon Valley, sondern in Essen. Und es ging auch nicht darum, unsere Kommunikation auf eine neue Basis zu stellen. Vielmehr sollte ein Erbe vor dem Vergessen gerettet werden. 1990 gründeten aus der Türkei stammende Einwanderer einen Verein, der sich seitdem erfolgreich der Geschichte der Migration widmet.
25 Jahre später ist die an ihrer Aufgabe gewachsene Institution nun mit der Planung eines bislang in Deutschland fehlenden, zentralen Migrationsmuseums an die Öffentlichkeit getreten und folgt damit einem Vereinsziel. Die Gründung von DOMiD (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V.) war eine Reaktion auf die Tatsache, dass dieses Thema in der deutschen Erinnerungskultur und den hiesigen Museen so gut wie keine Rolle spielte.
„Darüber hinaus waren die 80er-Jahre von einem gesellschaftlichen Klima geprägt, das von der Rückkehr der Migranten in ihre Heimatländer ausging“, erklärt Robert Fuchs, Projektleiter des Museums. Die Gründer hätten gesehen, dass große Teile ihrer Geschichte vom Vergessen bedroht gewesen seien. „Mit der Vereinsgründung wollten sie zum Ausdruck bringen, dass sie Teil der Gesellschaft waren und diese mit aufgebaut haben“, führt Fuchs aus. Zu den Aufgaben von DOMiD gehört von der ersten Stunde an die Dokumentation und Vermittlung sowie das Sammeln.
Heute nennt der heterogener gewordene Verein, in dem inzwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund engagiert sind, über 70 000 Exponate aus allen Einwanderländern sein Eigen: Objekte, Dokumente und Fotos, Bücher und Zeitschriften, Ton- und Filmaufzeichnungen.
Da ist etwa der Reisepass eines Spaniers, der 1960 nach Deutschland gekommen ist. Der Stempel „Tourist“ dokumentiert, dass die Arbeitssuche verboten war. „Da es aber Bedarf gab, ist von den Behörden meist schnell und oft unbürokratisch gehandelt worden“, weiß Robert Fuchs.
Auch die Haube der angeworbenen Krankenschwester aus Südkorea, die Ende der 60er Jahre in die Bundesrepublik kam, weil schon damals Pflegenotstand herrschte, fordert dazu auf, „aus der Geschichte zu lernen“, wie es der Projektleiter formuliert. Sie ist ein Zeichen dafür, dass ihre Trägerin examiniert war. In Deutschland aber war das Tragen untersagt, zudem mussten die Schwestern Tätigkeiten wie Bettenmachen und Putzen verrichten, wofür sie überqualifiziert waren – was zu Konflikten führte.
Der Lungenvolumenautomat aus der Gastarbeiter-Anwerbestelle in Istanbul, mit dem die körperliche Fitness der Bewerber getestet wurde, ist ein eher skurriles Objekt. Dagegen entfaltet sich um das schlichte Radio aus der Sammlung ein mörderischer Kontext. Es wurde der Familie Genç geschenkt, die in einer Notunterkunft lebte, nachdem Rechtsradikale 1993 einen Brandanschlag auf ihr Haus in Solingen verübt hatten.
Hatten die Gründer noch bei Verwandten und Bekannten nach Stücken für die Sammlung gefragt, so ist es schon seit geraumer Zeit so, dass die Migranten ihre Erinnerungsstücke in der Regel als Schenkungen dem Verein überlassen, der seit Jahren in Köln seinen Sitz hat. DOMiD, unterstützt vom Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Köln, hat nicht nur das Vertrauen der relevanten Kreise gewonnen, sondern sich auch als Zentrum zur Migrationsforschung etabliert – mit Ausstellungen, Veröffentlichungen und Konferenzen, Kooperationen mit Universitäten und Schulprojekten.
Jetzt sei es an der Zeit, das lange angedachte Museum auf den Weg zu bringen, damit es „die gesellschaftliche Realität nachhaltig in der Bevölkerung verankert und den Perspektivwechsel hin zu einer offenen Gesellschaft nach außen signalisiert“, wünscht sich Projektleiter Fuchs. Kosten, Standort und Art der Präsentation werden gerade geprüft. Fest steht, dass inhaltlich die Migration nach Deutschland (einschließlich der DDR) nach 1945, die verschiedenen Formen der Auswanderung sowie die Lebensbereiche der Migranten reflektiert werden und dass der Blick zudem in die Herkunftsländer gerichtet wird – auf die Ursachen der Auswanderung und deren Folgen.
Als Schirmherrin unterstützt Rita Süssmuth das Projekt. „Es geht um einen Ort, an dem Deutschland sich als Einwanderungsland entdecken und verstehen lernen kann“, formuliert die frühere Bundestagspräsidentin. In drei bis fünf Jahren soll es soweit sein.
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Ein Land zum Einwandern
Seit 25 Jahren besteht ein Verein, der die Erinnerung an die Geschichte der Einwanderung nach Deutschland seit 1945 wachhalten möchte. Jetzt ist ein zentrales Migrationsmuseum geplant

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