Sage niemand, ein Nussknacker sei ein Ding, das keiner braucht. Adolf Heidenreich tritt mit seiner Sammlung den Gegenbeweis an: Schon in der Frühzeit benutzten Menschen solche Schalenkiller. Über 1600 Exponate aus aller Herren Länder hat der Bamberger zusammengetragen – eine europaweit einmalige Sammlung. 800 von ihnen sind nun in Kloster Wechterswinkel zu bestaunen. Die Präsentation bietet eine einzigartige Gelegenheit, einen Ausflug in die Welt des Nahrungsmittels Nuss vom 16. Jahrhundert bis in die Moderne zu unternehmen.
Phantasievolle und exotische Exemplare
„König Nussknacker, so heiß‘ ich“ titelt die zentrale Ausstellung im Rahmen des Rhöner Krippenweges 2015. Eine phantasievolle Fülle an menschlichen Figuren, Tieren und Ornamenten entfaltet sich vor dem Betrachter – eine Vielfalt in künstlerischer und handwerklicher Qualität aus Eisen, Messing, Bronze, Silber, Holz, Porzellan oder Elfenbein. Napoleon, Bismarck oder Kaiser Wilhelm I. sperren ihren Mund für Nüsse auf. Elefanten, Löwen, Kängurus, Bären oder Wildschweine empfehlen sich als Schalenbrecher. Dazu gibt es eine exotische Machete für Kokosnüsse oder einen Spazierstock mit einem Knauf als Nussknacker.
Die Formen dieser Kleinplastiken sind so reich wie die Herkunft der Zangen-, Hebel-, Schraub- und Torsionsnussknacker: Sie stammen aus Ländern wie Afghanistan, China, England oder Indien, aus Myanmar, Russland oder Vietnam. Den größten Teil seiner in über drei Jahrzehnten zusammengetragenen Sammlung hat Adolf Heidenreich in seinem Lieblingsurlaubsland Frankreich erstanden, wo er mit seiner Ehefrau Ute Trödelmärkte und Antiquitätengeschäfte abgegrast hat. Doch nicht nur dort „ist der Markt leer, es gibt nur noch Industriemüll“, bedauert Heidenreich die Massenproduktion von billigen Nussknackern.
Umso stolzer ist der jetzt in Unterfranken lebende Sammler über seine seltenen Objekte aus dem 16. Jahrhundert. Dazu zählt der Hebelnussknacker aus Eisen, die filigran mit Messing verziert sind. Ein weiterer Schatz in Heidenreichs Besitz ist ein Pilger aus Santiago de Compostela von 1760, der die Jakobsmuschel am Hut und Flicken an seiner Kleidung trägt – und natürlich den Mund für die Nuss weit öffnet. Auch der Zangen- und Patentnussknacker überzeugt mit seiner Einzigartigkeit: Er kann gleichzeitig kleine Haselnüsse und große Walnüsse öffnen.
„Jedem Tierchen sein Pläsierchen“ mag der Ausstellungsbesucher darüber grübeln, warum jemand ausgerechnet Nussknacker zur Sammelleidenschaft erhoben hat. „Das werde ich immer wieder gefragt“, lächelt Adolf Heidenreich und hat zugleich die Antwort parat. Er sei seit frühester Jugend überzeugter Vegetarier und esse gerne Nüsse. 1984 wollte er für einen Artikel in der Zeitschrift „Der Vegetarier“ die Geräte vorstellen, mit denen Nüsse geknackt werden können – ein schwieriges Unterfangen, wie sich herausstellte. Denn es gab keine einschlägigen Bücher und nur wenige Abbildungen in Literatur über Volkskunst.
Heidenreich forschte nahezu vergeblich in Museen und Bibliotheken nach Hinweisen auf Nussknackern. Sein Ehrgeiz wurde durch eine Notiz von einem Experten geweckt. Leopold Schmitt, Direktor des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien, hatte notiert, dass die Geschichte des Nussknackers noch nicht geschrieben sei, und auch von ihren Anfängen an nicht leicht vollständig zu rekonstruieren sein dürfte. „Also habe ich meine Recherchen intensiviert“, erzählt Heidenreich. Zeitgleich begann der Diplom-Rechtspfleger, nach Nussknackern jeglicher Art Ausschau zu halten und diese zu erwerben.
Nussknacker haben eine lange Geschichte
Erst nach vier Jahren konnte Adolf Heidenreich den geplanten Zeitungsartikel schreiben. 2003 erschien aus seiner Feder die erste umfassende Publikation über Gestalt und Geschichte der Nussknacker. Der Leser erfährt, dass solche Knackhilfen zu den ältesten Werkzeugen der Menschheit gehören. Schon vor über zwei Millionen Jahren zerschlugen unsere Vorfahren Nüsse mit Steinen, wie deutsch-amerikanische Forschungsteams in Westafrika entdeckten. Ab etwa 8000 vor Christus fanden die ersten gestalteten Nussknacker Verwendung: ovale Steine mit einem zentral geschliffenem Widerlager, das ein Wegspringen der Nuss verhinderte.
Nur eine harte Nuss kann der 78-Jährige noch nicht knacken: Was soll eines Tages aus seiner Sammlung werden? „Ich würde sie gern als Dauerausstellung in ein Museum geben“, sagt Heidenreich. Und hofft, sich an diesem Zukunftsproblem nicht die Zähne ausbeißen zu müssen.