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Ein doppelter Krieg

In schwieriger Lage haben die meisten Menschen hierzulande in den vergangenen Monaten Einsicht und Vernunft gezeigt. Jetzt kommt es darauf an, diese Haltung nicht zu verlieren.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass mir an dieser Stelle mal jemand widersprechen würde. Mit guten, stichhaltigen und vor allem vernünftigen Argumenten. Damit ich endlich von der Vorstellung abrücken könnte, dass ein beachtlicher Teil der Menschheit schlichtweg dumm ist.

17 000 Menschen sind vergangenen Samstag durch Berlin marschiert. 17 000. Das ist zwar nicht mal die Hälfte der Einwohner des Fürstentums Liechtenstein. Aber angesichts dessen, was diese 17 000 auf die Straßen der Hauptstadt getrieben hat, ist die Zahl verstörend hoch.

„Das Ende der Pandemie – Tag der Freiheit.“ Unter diesem Motto drängten sich die 17 000 durch die Stadt. Und zwar im buchstäblichen Sinn: Abstand? Natürlich nicht. Wäre ja auch uncool, wenn man das Ende der Pandemie verkündet. Zaungäste, die mit Gesichtsmaske dabei waren, mussten sich Beschimpfungen und Verhöhnungen gefallen lassen.

Jetzt kann man lange darüber diskutieren, was für Menschen das sind, die in Berlin und anderen Städten das „Ende der Pandemie“ verkünden. Menschen, die das Virus und seine Gefahr nicht wahrhaben wollen. Menschen, die sowieso alles, was „von oben“ kommt, als Gängelei und Schwindel beargwöhnen.

Diese Menschen gab es von Anfang an. Auch hierzulande. Schlimm genug. Trotzdem ist Deutschland bislang im Vergleich zu anderen Ländern mit einem blauen Auge davongekommen. Weil sich eine immer noch genügend große Mehrheit der Menschen diszipliniert an die notwendigen Sicherheitsregeln gehalten hat.

Das darf nicht auf die Kippe geraten. Und da sind wir alle gefragt. Jede und jeder von uns. Ausnahmslos.

Denn die Gefahr, die jetzt aufzieht, besteht nicht mehr allein in denen, die Corona von Anfang an geleugnet oder verharmlost haben. Sondern in der Nachlässigkeit der Anderen. Jener, die bislang klug und einsichtig gehandelt haben. Sicher, wir alle wünschen uns Normalität zurück. Und klar, wir werden nicht auf ewig mit Einschränkungen leben können.

Aber es wird in den nächsten Monaten darauf ankommen, einen Balance-Akt zu meistern. Auf der einen Seite Lockerungen probieren, um Leben zu ermöglichen. Auf der anderen Seite: diszipliniert bleiben, wo es notwendig ist oder nach Ansicht der Fachleute geraten scheint. Auch wenn es noch so unerfreulich, lästig oder belastend sein mag. Dazu zählt auch: erneute Einschränkungen in Kauf zu nehmen.

Wir führen einen doppelten Krieg, sagt Dr. Joseph Varon, Chefarzt am United Memorial Medical Center in Houston/Texas: einen gegen Covid-19. Und einen gegen die Dummheit der Leute. Die Menschen, so Varon, hörten einfach nicht zu, was ihnen Wissenschaft und gesunder Menschenverstand doch klar sagten.

Deshalb die Bitte an alle: Bleiben wir klug. Es ist doch möglich. Abstand. Maske. Hände waschen. Das sind drei Dinge, die alles entscheiden. Ich bin mir sicher: Das können wir doch zur Not noch ein paar Monate länger schaffen.