Von Veit Hoffmann
Es ist früher Morgen. Vor dem Fenster wiegen sich die Zweige der Weide sanft im Wind. Die Sonne scheint mild, es ist friedlich. Unter meinem Schreibtisch liegt der Hund und schläft. Seinen morgendliche Überschuß an Kräften hat er gerade im Wald abgebaut. Bei diesem Spaziergang dachte ich an diese Kolumne, die über Krieg und Militäreinsätze gehen soll. Beim Nachdenken darüber kam es mir vor, als säßen die Bäume voller Kirchenväter, Inquisitoren, Märtyrer, Bekenner, Agnostiker, Heiden, Philosophen und Schreihälse. Sie haben noch immer die Kraft ein ganzes Dutzend Löcher in meine Gedanken zu bohren. Wie ein guter Rasensprenger lassen sie keinen Gedankenbereich aus und verursachen in mir ein schlechtes Gewissen. Ich bin evangelischer Pfarrer und froh, dass die Amerikaner endlich die Mörderbande der ISIS ins Vezier genommen hat. Die ISIS mordet, exekutiert, köpft, brandschatzt und droht. 300 Frauen haben sie entführt. Niemand benötigt besondere Fantasie um sich auszumalen, was mit ihnen geschieht. Sie ist so brutal, dass sich selbst Osama Bin Laden voller Abscheu vom Blutrausch der ISIS abgewendet hat. Wir sehen entsetzliche Bilder. Abertausende Christen und Jesiden irren hilflos durch die Gebirge. Niemand darf diese Menschen preisgeben! Ich teile auch nicht die gängige Israelkritik. Über 3000 Raketen brauchte die Hamas um Israel zu einem Einmarsch in Gaza zu bewegen. Genau dorthin, wo Hamas sie haben wollte: Ins Zentrum der Zivilbevölkerung. Den Zynismus der Hamas verurteile ich zutiefst. Ich sehe in Israel kein Land, das Freude daran hat Kinder, Alte, Frauen und weitere Unschuldige zu töten. Im Gegenteil. Doch von einer friedlichen Stimmung, wie ich sie an diesem Morgen genießen darf, ist Israel weit entfernt. In der Gründungscharta der Hamas heißt es: “Die Stunde des Gerichts wird nicht kommen, bevor Muslime nicht die Juden bekämpfen und töten, sodass sich Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken und jeder Baum und Stein wird sagen: Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn”. Ehrlich, ich könnte auf solche Nachbarn verzichten. Israel aber hat noch mehr solcher Nachbarn. Leider. Die protestantische Kirche hat politisch recht große Prägekraft. Ohne sie wären die westdeutsche Friedensbewegung und auch die friedliche Revolution in Ostdeutschland kaum denkbar. Kürzlich schrieben die Ostberliner Pfarrer Klaus Galley und Siegfried Menthel einen Brief an Bundespräsident Gauck. Sie seien beide „ … evangelische Pfarrer in Ihrem Alter. Wir haben wie Sie in der ehemaligen DDR gelebt und gearbeitet.“ Wie Gauck seien sie dankbar für die Einheit Deutschlands und dass diese Einheit 1989 „ohne einen Schuss der hochgerüsteten Armeen der beteiligten Staaten“ erreicht wurde. Damals, 1989, hätten die Kirchen der DDR das Abschlussdokument einer internationalen ökumenischen Versammlung zum „Verzicht auf militärische Gewalt als Mittel der Politik“ unterzeichnet. Und in einem „Brief an die Kinder“ habe es damals geheißen, „ … wir alle müssen uns dafür einsetzen, dass niemand mehr einen anderen Menschen in einem Krieg erschießt.“ Mit seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz Ende Januar habe sich Gauck jedoch „aus dem Konsens von 1989“ verabschiedet, da er dort „auch von der Notwendigkeit militärischer Konfliktlösungen“ gesprochen habe. Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider stellte sich vor den Bundespräsidenten. Militär könne zwar „keinen Frieden schaffen“, sagte er „aber es kann dafür sorgen, dass die massiven gewalttätigen Auseinandersetzungen gestoppt werden.“ Gerade war er aus dem Sudan zurückgekehrt, wo er sehen konnte, was militärisches Desinteresse anrichten kann. „Im äußersten Notfall, wo nur die Anarchie herrscht – da kann es gerechtfertigt sein, dass dann mithilfe von Militär, der Krieg erst einmal zum Ende gebracht wird.“ Schneiders Äußerungen sind auch von der Friedensethik der evangelischen Kirche gedeckt. Sie verneint nicht von vornherein Militäreinsätze als letztes Mittel der Politik.