Artikel teilen:

Drei Jahre Haft für Angeklagten im Shapira-Prozess

Im Prozess um einen antisemitischen Angriff auf den jüdischen Berliner Studenten Lahav Shapira ist der Angeklagte Mustafa El-H. A. wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorsitzende Richter Sahin Sezer sah bei der Urteilsverkündung am Berliner Amtsgericht Tiergarten am Donnerstag ebenso wie zuvor die Staatsanwaltschaft ein antisemitisches Motiv gegeben. Staatsanwalt Tim Kaufmann hatte zwei Jahre und vier Monate Haft gefordert, die Verteidigung plädierte auf eine Bewährungsstrafe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (AZ: 264 Ls 1024/24)

Es habe eine „abstrakte Lebensgefahr“ für den 32-jährigen Shapira bestanden, urteilte das Gericht. Das frühe Geständnis des Angeklagten sah Sezer zwar als strafmildernd an. Der Tatbestand sei jedoch so eindeutig, dass dies kaum zu berücksichtigen sei, betonte er. Zudem warf er dem Verteidiger eine „Salamitaktik“ und den Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr vor. Auch die Kickbox-Erfahrung von El-H. A. habe sich strafverschärfend ausgewirkt.

Shapira und El-H. A. waren Kommilitonen an der Berliner Freien Universität (FU). Dort hatte Shapira als Administrator eine Chatgruppe mit mehr als 400 Teilnehmenden geleitet und dort antisemitische Beiträge gelöscht. An der FU entfernte Shapira zudem antisemitische Aufrufe von Gruppen wie „Young Struggle“, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt werden. Als der Angeklagte das Opfer im Februar 2024 in einer Bar in Berlin-Mitte sah, wollte er ihn nach eigener Aussage deshalb zur Rede stellen. Er folgte Shapira und seiner Begleitung beim Verlassen der Bar und führte mit dem Opfer ein kurzes Wortgefecht. Dann schlug er zu und trat Shapira ins Gesicht. Dieser erlitt komplexe Frakturen und musste mehrere Operationen über sich ergehen lassen. Er leide zudem psychisch an den Folgen, hieß es.

Es treffe zwar zu, dass der 24-jährige El-H. A. sich nie selbst antisemitisch in den Chatgruppen geäußert habe, urteilte das Gericht. Dass er zugleich Personen verteidigte, die dies taten, und er sich über das Entfernen antisemitischer Plakate echauffierte, überwog jedoch bei der Beurteilung des antisemitischen Motivs. Zudem wurde auf einem Handy des Angeklagten ein kurzes Snapchat-Video vom Tatort gefunden. Er habe es zwar nicht selbst angefertigt, aber vermutlich habe es einer seiner Begleiter in der Tatnacht erstellt, hieß es. Die Unterschrift: El-H. A. habe den „Judenhurensohn totgeschlagen“.

Shapira selbst sagte, er sei „froh, dass es vorbei ist und das antisemitische Motiv erkannt wurde“. Auch der bei dem Prozess anwesende Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, wertete die Entscheidung des Gerichts als „gutes und gerechtes Urteil“. Antisemitismus bleibe „nicht ungeahndet“, betonte er. Der Verteidiger und sein Mandant gaben kein Statement ab.

Richter Sezer sagte, das Urteil sei „drakonisch“, wenn man bedenke, dass der Angeklagte noch keine Vorstrafen habe. Neben dem Resozialisierungsgedanken für Straftäter gehe es jedoch auch um eine Generalprävention angesichts steigender antisemitischer Gewalt. „Sie haben sich die Zukunft versaut“, sagte der Richter, der nach eigenen Angaben selbst einen türkischen Migrationshintergrund hat, zu dem verurteilten früheren Lehramtsstudenten: „Was hätten Sie für ein Vorbild für die Jungs in den Betonbauten Neuköllns sein können.“