Artikel teilen:

Doku-Tipp: „Gundi Gundermann“

Die Dokumentation auf YouTube widmet sich Gerhard Gundermann, einem der bekanntesten Liedermacher der DDR.

Gerhard Gundermann
Gerhard GundermannRico Hoffmann

Das erste Mal habe ich Gerhard Gundermann auf einer Autofahrt vor rund 15 Jahren gehört. Ich saß in einer Mitfahrgelegenheit von Berlin nach Dresden und der Fahrer spielte auf der gesamten Länge des Wegs nur Gundermann-Lieder.

Ich war ergriffen von Stimme und Texten. Der Fahrer erzählte mir von der Geschichte des Sängers, vom Baggerfahrer im Tagebau und seinem frühen Tod. All das und die Lyrik haben sich eingeprägt. Erst Jahre später habe ich ihn wiederentdeckt, in einer Ostberliner Wohnung. Wo sonst.

Raus aus der Ost-Nische

Andreas Dresens Spielfilm über den Liedermacher aus Hoyerswerda hob 2018 Gundermann aus seiner kleinen Ost-Nische. Seine Texte erreichen seitdem ein größeres, auch westdeutsches Publikum. In Gundermanns Liedern ist eine Tiefe, ein doppelter Boden, die bei jedem Hören Neues entdecken lassen. Texten konnte er wie kein Zweiter.

Auf dem Videostreaming-Portal Youtube hat nun ein Nutzer einen Doku-Schatz zugänglich gemacht: „Gundi Gundermann“ von Richard Engel aus dem Jahr 1983, der für das DDR-Fernsehen gedreht wurde, dort aber nur im Spätprogramm laufen durfte. Dieses Zeitdokument füllt die Leerstellen, die Dresens Film beim interessierten Beobachter bei aller Detailtreue doch hinterlassen hat.

Authentischer Blick

Für seinen Film war Engel in Hoyerswerda und hat eine Vielzahl an Interviews gedreht. Mit Gundi, seiner Mutter, den Arbeitskollegen, Vorgesetzten, Mitstreitern und Freunden. Ihr ungeschulter Umgang mit Medien, der natürlich der Zeit geschuldet ist, eröffnet dem Betrachter einen unverstellten, einen authentischen Blick auf Gundermann und das Leben im real existierenden Sozialismus. Es ist die Zeit, in der Gerhard Gundermann die Theater- und Musikgruppe „Brigade Feuerstein“ gründet, seinen Weg im Tagebau und im Leben sucht. Es offenbart sich, was in Texten über ihn oft angedeutet wird: seine „ambivalente“ Persönlichkeit. Ein Dickkopf, ein Rechthaber war er. Einer mit großem Herz und hohen Erwartungen an seine Umgebung, der austeilte, wenn es nicht nach seiner Façon lief. Wir lernen einen jungen Mann voller Ideale kennen, stark und zugleich verwundbar, fest im Glauben verankert, Einfluss nehmen zu können, wie sich Gesellschaft entwickelt. Von Hoyerswerda aus die Welt verändern. So viel ungestüme Sehnsucht und doch gleichzeitig ernst und ehrgeizig in der Sache.

Gundermann war der Volks­liedermacher, der Wolf Biermann gern gewesen wäre, habe ich mal gelesen. Ich würde hinzufügen:

Wer Gundermann genau zuhört, versteht den Osten ein bisschen besser.

Link zur Doku „Gundi Gundermann“ (DDR, 1983), Regie: Richard Engel: www.youtube.com/watch?v=yyzK6sP4bbE