Artikel teilen

Die Suche nach einer neuen Kunst

Die 1905 gegründete Künstlergruppe „Brücke“ rund um Ernst Ludwig Kirchner, Fritz Bleyl, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff wollte etwas Neues wagen. Ihre Bilder sollten nicht dem bürgerlichen Zeitgeist von „schöner Kunst“ entsprechen. Die Künstler brachten vereinfachte oder verzerrten Formen auf die Leinwand, in starken, mitunter bewusst unharmonischen Farben. Unter dem Titel „Brücke zur geistigen Welt – Meisterwerke des Expressionismus“ widmet das Kunstmuseum Pablo Picasso in Münster der Avantgarde zu Anfang des 20. Jahrhunderts eine große Überblicksausstellung.

Gezeigt werden seit Samstag rund 130 Holz- und Linolschnitte, Radierungen und Lithografien sowie ausgewählte Gemälde und Skulpturen von 17 maßgeblichen expressionistischen Künstlern, darunter Namen wie August Macke, Edvard Munch, Emil Nolde und Max Pechstein. „Die Werke stammen aus einer bedeutenden deutschen Privatsammlung und werden in dieser Form erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert“, sagt Museumsleiter Markus Müller.

„Der Expressionismus spiegelt eine Zeit intensiver sozialer und ästhetischer Veränderungen rund um den Ersten Weltkrieg wider“, erläutert Ann-Katrin Hahn, Kuratorin der Ausstellung, die bis zum 12. Mai läuft. „Mit unterschiedlichen formalen und stilistischen Ausdrucksformen entwickelten sie eine neue Kunst, die den intensiven persönlichen Ausdruck betont.“

Im Mittelpunkt der Münsteraner Schau steht die „Brücke“-Vereinigung, die sich in 1905 Dresden zusammenfand. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Gruppe „Der Blaue Reiter“ gewidmet, die unter der Leitung von Wassily Kandnisky und Franz Marc 1911 als lose Vereinigung von Malern und Malerinnen in München entstand. Im Picasso Museum sind allerdings nur männliche Künstler vertreten. „Expressionistinnen sind die ganze Zeit mitgedacht, nur leider waren sie in der Sammlung nicht präsent“, begründet Hahn den Umstand.

Hervorstechend sind die Holzschnitte, die mit ihren groben Furchen und gezackten Linien symptomatisch für den Expressionismus sind. Hinzu kommen Radierungen und Lithografien, deren Formsprache von den Malern vor 100 Jahren ebenfalls neu definiert wurde. Zu erkennen ist das im ersten Ausstellungsraum mit Werken von Edvard Munch, der als Vorläufer der Stilrichtung in der Kunst gilt und dessen Verwendung unnatürlicher Farben von den anderen Malern aufgegriffen wurde. Der letzte Raum zeigt mit Werken von Otto Dix und Conrad Felixmüller dann den Übergang vom Expressionismus zur Neuen Sachlichkeit.

Beim Rundgang kommen Motive der modernen Großstadt immer wieder ins Bild – Reichtum und Glanz wechseln sich ab mit Armut und Elend. Die Verbindung von Expressionismus und Religion wird darüber hinaus deutlich in zwölf Holzschnitten von Max Pechstein mit dem Titel „Das Vater Unser“ (1921), die in Münster in einer kolorierten Ausführung zu sehen sind. Ebenfalls in diese Sparte gehören zwei Skulpturen von Ernst Barlach. Es sind Vorstudien zu seinem berühmten „Schwebenden Engel“ von 1927, ein Mahnmal für die Toten des Ersten Weltkriegs. Ein weiterer Themenkomplex widmet sich dem Porträt, hierzu zählt beispielsweise Emil Noldes „Herrenbildnis“ von 1910.

Auch die Natur war ein wiederkehrendes Thema für die Künstler dieser Epoche. So gibt es von Kirchner eine Landschaft aus den Schweizer Alpen zu betrachten, die „seit Jahrzehnten nicht mehr öffentlich zu sehen war“, wie Hahn betont. Hinzu kommen verschiedene Aktdarstellungen. Einige Künstler huldigen der damals aufkommenden Freikörperkultur, andere betreiben Bewegungsstudien anhand von Tanzszenen. Wieder andere beziehen sich unmittelbar auf erotische Situationen, so die Bilder von Egon Schiele. Ihm gelinge es, „aus dem nackten Körper heraus Emotionen darzustellen“, lobt Kuratorin Hahn.