Es ist eine friedliche Rheinidylle, die der Maler Christian Eduard Boettcher 1884 auf seine Leinwand bannt. Vor der mittelalterlichen Häuserkulisse von Oberwesel halten am Rheinufer Schiffer ein Schwätzchen und Mütter gehen mit ihren Kindern spazieren. Die Realität sah jedoch auch zu dieser Zeit schon ganz anders aus. In Wirklichkeit rollten am Rheinufer bereits lärmende und Ruß speiende Dampfloks entlang. Der boomende Rheintourismus und die Industrialisierung hatten die Idylle bereits getrübt.
Boettchers beschönigendes Gemälde ist ein Beispiel dafür, wie Menschen im Laufe der Jahrhunderte auf eine Welt im Umbruch reagierten. In diesem Fall verdrängte der Maler die beunruhigenden Veränderungen der Landschaft einfach. Rund 40 Jahre später ist die Sicht eine andere: Der Fotograf Albert Renger-Patzsch macht Industrieanlagen zum Thema seiner Fotografien. Beides ist ab Freitag in der neuen Dauerausstellung des LVR-Landesmuseums zu sehen.
„Wir erfahren heute den rasanten Wandel unserer Lebenswelt“, stellt Museumsdirektor Thorsten Valk fest. Das sei für die Neukonzeption der Dauerausstellung Ausgangspunkt gewesen zu fragen, wie Menschen in der Vergangenheit auf dramatische Veränderungen reagiert hätten. Welchen Transformationsprozessen waren unsere Vorfahren in der Zeit vom Mittelalter bis in die Moderne ausgesetzt und wie gingen sie mit Verunsicherung und Ängsten um? Anhand dieser Fragen wolle die neue Dauerausstellung Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einen Dialog bringen, erklärt Valk.
Die chronologisch aufgebaute Schau „Welt im Wandel. Das Rheinland vom Mittelalter bis Morgen“ bietet einen Rundgang durch 1.000 Jahre Kunst- und Kulturgeschichte im Rheinland. Zu sehen sind rund 400 Exponate, darunter Skulpturen, Gemälde, Grafiken Fotografien, Kunsthandwerk, aber auch Alltagsgegenstände. Zu den Highlights der Sammlung gehören etwa die mittelalterliche Pietà Roettgen, Gemälde der Düsseldorfer Malerschule und des Rheinischen Expressionismus bis hin zu Werken von Nachkriegskünstlern wie Joseph Beuys oder Günther Uecker.
Eine der Neuerungen der Dauerausstellung ist die „Galerie der unscheinbaren Dinge“, in der erstmals archäologische Funde aus der Neuzeit gezeigt werden. Das sind Alltagsgegenstände, die bei archäologischen Grabungen gefunden wurden, wie etwa Geschirr und Besteck aus einem Zwangsarbeiterlager der Nazis in Königswinter.
Die neue Präsentation setze auf Transparenz und eine stärkere Beteiligung der Besucherinnen und Besucher, erklärt Valk. „Die Zeiten, in denen Besucherinnen und Besucher andächtig durchs Museum liefen und staunend vor den Objekten standen, sind vorbei.“ Stattdessen möchte der Museumsdirektor das Publikum stärker einbinden. Geplant sind etwa interaktive Führungen oder die Möglichkeit, über Abstimmungstools auf bestimmte Fragen zu reagieren. Im Zentrum der Ausstellung steht nun das „Museum der Zukunft“, eine Tribüne, die Möglichkeiten zum Dialog eröffnen soll. Hier finden künftig Veranstaltungen wie Diskussions- und Talkrunden, Lesungen oder Konzerte statt.
Und auch in der Ausstellung selbst können Besucherinnen und Besucher künftig mehr erleben. So gibt es sechs Mitmach-Stationen, vor allem für Familien und Kinder, etwa die Ankleidung eines barocken Ball-Kleides. Zwölf inklusive Panels sprechen Tast-, Hör- oder Geruchssinn an. Da lässt sich etwa beim Anblick mittelalterlicher Kirchenfenster Weihrauchduft erschnuppern oder der Heiligenschein der Figur eines Altargemäldes ertasten. Vier Medienstationen bieten virtuelle Rekonstruktionen oder vertiefende Informationen. So werden zum Beispiel Teile des zerstörten Klosters Altenberg virtuell wieder an ihren Platz gestellt. In Filmanimationen wird sichtbar, wo sich etwa Kapitelle oder Säulen früher befanden.