Artikel teilen:

Die Pegel in Brasiliens Flutgebieten steigen wieder

Die Überschwemmungen im südbrasilianischen Rio Grande do Sul gehen bereits in die dritte Woche. Die Regierung stellt Milliardensummen für den Wiederaufbau bereit.

Nachdem es am Wochenende wieder zu regnen begann, steigen die Pegel der Flüsse und Seen im südbrasilianischen Rio Grande do Sul wieder an. Noch immer stehen zudem riesige Gebiete meterhoch unter Wasser. Bisher wurden 147 Leichen geborgen, 127 Personen gelten als vermisst. Mehr als 600.000 Personen konnten immer noch nicht in ihre Häuser zurückkehren. Derweil behindern Fake News in sozialen Netzwerken die Hilfsarbeiten. Die ungewöhnlich starken Regenfälle hatten Ende April eingesetzt.

In der Provinzhauptstadt Porto Alegre stieg der Wasserspiegel der Guaiba-Lagune am Montag wieder über 5 Meter. In der vergangenen Woche war mit 5,35 Metern ein Allzeitrekord aufgestellt worden. Ende April lag der Pegel noch bei 1,30 Metern. Ab einem Pegel von 3 Metern läuft das Wasser aus der Lagune in die Stadt. Für den heutigen Dienstag wird nun ein Pegelstand von 5,40 Metern erwartet.

Die Stadtverwaltung versucht mit aufgestapelten Sandsäcken das Vordringen der Wassermassen aufzuhalten. Doch da es in den vergangenen Tagen in den Bergregionen stark geregnet hat, werden neue Flutwellen erwartet. Zahlreiche Flüsse kommen aus den Bergen hinab in die Ebene um Porto Alegre, bevor sie Richtung Meer weiter fließen.

Nach den wochenlangen Regenfälle gibt der aufgeweichte Boden besonders in den Bergregionen des Gliedstaates rasch nach, es kommt zu Erdrutschen. Ganze Straßen brechen weg. Lokal registrierten Bewohner Erschütterungen des Bodens, was nach Auffassung von Experten auf bevorstehende Erdrutsche hindeutet.

Gefahr drohe auch durch das seit Tagen in den Städten stehende Wasser, in dem Leichen und Tierkadaver treiben. Es soll teilweise ein unerträglicher Gestank herrschen. Helfer berichten zudem von Gesundheitsproblemen nach Einsätzen in dem kontaminierten Wasser.

Die Katastrophe hat zu Solidaritätsaktionen im ganzen Land geführt. Kleider und Lebensmittel werden in die betroffene Region geliefert. Allerdings ist Porto Alegres Internationaler Flughafen noch immer überflutet und gesperrt, und zahlreiche Fernstraßen sind unpassierbar, was sowohl die Rettungsaktionen wie auch die Anlieferung von Hilfsgütern erschwert. Nun sollen Flüge über den Militärflughafen der Küstenstadt Canvas abgewickelt werden.

Die Zentralregierung von Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat bisher rund 10 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau in Rio Grande do Sul versprochen. Dies sei aber erst der Anfang, erklärte der Präsident. Zudem setzt der Bund den Schuldendienst des hochverschuldeten Gliedstaates für drei Jahre aus.

Die Zentralregierung plant außerdem Einmalzahlungen von rund eintausend Dollar an 100.000 betroffene Familien. Zudem sollen in Not geratene Familien in das Sozialprogramm “Bolsa Familia” (Familienstipendium) aufgenommen werden. Die Gliedstaatregierung will ihrerseits jeder betroffenen Familie eine Nothilfe von rund 400 Dollar überweisen.

In sozialen Netzwerken zirkulieren neben Videos über die Rettung von Menschen und Tieren auch viele gefälschte Nachrichten. So wird über angeblich Hunderte von Leichen in der Stadt Canoas und über abgerutschte Straßen berichten, wobei die Videos des Erdrutsches aus der Türkei stammen. Zudem sollen die Gliedstaatregierung sowie die Zentralregierung angeblich Hilfslieferungen aus bürokratischen Gründen und aus Propagandazwecken blockieren.

Mit Videos in sozialen Netzwerken versuchen die Behörden, die Falschnachrichten zu entkräften. Die Justiz sucht bereits nach den Urhebern der gefälschten Videos. Solche Fake News würden die Rettungsarbeiten erschweren und Menschen davon abhalten, für die Betroffenen zu spenden, erklärten die Behörden.

Aussicht auf eine kurzfristige Besserung der Lage gibt es nicht. Ab Mittwoch wird eine Kaltfront mit starken Regenfällen und niedrigen Temperaturen in Südbrasilien erwartet. In Bergregionen soll das Thermometer dabei auf unter null Grad fallen.