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Die Kultfiguren der Kindheit – heute globalisierte Stars

Das TikTok-Video bringt Leute jenseits der 40 zum Schmunzeln: Ein Mädchen regt sich auf, weil eine US-Influencerin Pippi Langstrumpf nicht mehr kennt. Undenkbar? Offenbar nicht. Helden von einst – vom Vergessen bedroht.

Paw Patrol, Peppa Wutz, Barbie: Vor den heutigen Helden der Kindheit gibt es kein Entrinnen. Nicht nur in TV und Kino, auch in der Werbung sieht man sie. Vor allem das Smartphone, Soziale Medien fließen über von ihnen, begleitet von einer massiven Merchandising-Maschinerie. Globale Helden …

“Damals”, in den 60er, 70er, 80er Jahren, da waren die Helden der Kindheit noch lokal verortet. Sie wurden dann vielleicht bekannt, in verschiedene Sprachen übersetzt und von diversen nationalen TV-Sendern ausgestrahlt. Gute Figuren schafften schon immer auch den Sprung über Grenzen. Doch wusste man stets, wo sie herkommen; wo sie wohnen mit ihren Freunden, wo sie ihre Abenteuer erleben.

Bestes Beispiel sind die Figuren von Astrid Lindgren: die Kinder von Bullerbü, Michel von Lönneberga, die Bewohner der Insel Saltkrokan – und natürlich Pippi Langstrumpf. Bis heute stehen sie alle für ein Schweden, das es so nicht mehr gibt – wenn es überhaupt je so existierte. Allemal stehen sie für ein Bild von Schweden, das sich Menschen machen, die womöglich nie dort waren; ein Pippi-Schweden sozusagen.

Ein zweites Land der TV-Kinderhelden: die damalige Tschechoslowakei. Nicht nur gab es jenseits des Eisernen Vorhangs populäre Zeichentrickfiguren wie den Kleinen Maulwurf (tschechisch “Krtecek”). Auch ambitionierte Spielfilme für Kinder wurden gedreht, wie “Pantau”, “Sechs Bären mit Zwiebel” oder der heiß geliebte Märchenfilm “Drei Haselnüsse für Aschenbrödel”.

Dahinter steckten exzellente Leute, die zuvor auch großartige Filme für Erwachsene verantwortet hatten. Filme, wie sie nach dem abrupten Ende des politischen Prager Frühlings 1968 nicht mehr gemacht werden durften: Sie wären von vornherein an der Zensur gescheitert. So wichen die Künstler in die Kinderwelt aus.

Lolek und Bolek gehörten nach Polen, Asterix und Tim & Struppi nach Frankreich respektive Belgien, der unglücklich-glückliche Herr Rossi mit seinen psychedelischen Dekors und seiner Suche nach dem Glück nach Italien – und Shaun, das Schaf, mit seinen Freunden natürlich ins ländliche Großbritannien.

Selbstverständlich kamen auch schon damals viele Kinderhelden aus den USA: von Micky Maus über Daktari und Lassie bis zum Rosaroten Panther, dem Road Runner und Elise, dem Ameisenbären. Sie alle waren so amerikanisch wie später die Puppen der Sesamstraße und der Muppet Show.

Die frühen Science-Fiction-Serien waren auf fortschrittliche Internationalität beziehungsweise Pan-Nationalität angelegt. So standen auf der Brücke des Raumschiffs Enterprise (orig.: Star Wars) der Japaner Zulu, der Russe Chekow oder die Afrikanerin Uhura. Im deutschen Pendant “Raumpatrouille Orion” waren es Cliff Allister McLane, Tamara Jagellowsk oder Atan Shubashi.

Ganz un-national und herkunftslos kamen die Ompis daher, die wandelbaren Knetgummimännchen aus der “Rappelkiste”; ebenso die Zeichentrickfigur Barbapapa mit seiner bunten Familie. Sie wiesen darin schon in den 70er Jahren auf das heutige Helden-Schema. Es heißt, Barbapapa sei im Garten geboren – wie eine Blume.

Am Ende gab (und gibt) es aber auch viele Helden der Kindheit, die es nie über eine Landes- oder Kulturgrenze hinaus schafften – und die trotzdem Kult waren. So in Südafrika die Serie über den Zulu-König Shaka Zulu, die in den 80er Jahren im Staatsfernsehen SABC lief, oder die Puppenfiguren aus Wielie Walie. In der Arabischen Welt ein Renner: die muslimische Sesamstraße “Assalamu Alaikum – Adam’s World”, die Kindern die Werte des Islam nahe bringen sollte.

Doch irgendwann, eines Tages, kommen eben immer neue Helden; und sie kommen, um die anderen Helden abzumelden.