Artikel teilen:

Die Jugend hat besser aufgepasst

UK 44 und 45/2016, AfD/Rechtspopulismus (UK 44, Seite 14: „Reden über das, was Angst macht“; UK 45, Seite 6: „Evangelische Jugend: AfD keinen Raum zur Selbstdarstellung geben“)
Sehr erleichtert bin ich, dass mit der Evangelischen Jugend wenigstens eine Institution in unserer Kirche eindeutig Stellung bezieht gegen die „rechtspopulistischen und unchristlichen Positionen“ der AfD. Warum eigentlich tun sich andere Leitungsgremien in unserer Kirche so schwer, klare Kante zu zeigen,wie es der Katholikentag mit seinem Ausschluss von AfD-Funktionären tat?
Ich habe da eine Vermutung. Ihre Gastautorin lässt gleich im dritten Satz die Katze aus dem Sack: „Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, dass auch engagierte Kirchenmitglieder die neue populistische Partei wählen.“ Das habe ich immer befürchtet und ahne, warum diese Partei trotz ihres rassistisch-völkischen und fremdenfeindlichen Programms von Kirchen leitenden Gremien mit Samthandschuhen angefasst wird. Fürchtet man etwa Kirchenaustritte von AfD-Christen, wenn man die Funktionäre zum Beispiel von der Teilnahme an Kirchentagsforen ausschließt?
Ganz anders als die Evangelische Jugendkammer fordert Bahr: „Öffnen wir unsere Räume für diese Debatte, aber legen wir vorher klare Regeln fest. Wer pöbelt und beleidigt, muss gehen.“ So ähnlich hatte es kürzlich auch das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags beschlossen.
Nun hat die AfD diese von Petra Bahr und dem Kirchentagspräsidium gezogenen Grenzen doch längst überschritten: Erinnert sei daran, was die Menschen, die am 3.Oktober den Gottesdienst in der Dresdner Kreuzkirche besuchten, an Pöbeleien und Scheußlichkeiten über sich ergehen lassen mussten. Wer fragt, was die AfD damit zu tun hatte, der mag im Internet-Terminkalender der AfD Mittelsachsen nachlesen.
Mitgliedern einer Partei also, die verantwortlich ist für die Beschimpfung von Gottesdienstbesuchern, möchte Petra Bahr Räume und der Kirchentag Podien öffnen?!
Natürlich würden eingeladene AfD-Funktionäre bei solchen kirchlichen Veranstaltungen Kreide fressen. Aber die Geschichte wird erzählt, um die Kinder zu warnen. Der Kreide fressende Wolf frisst die Zicklein (sprich: Schafe) auf, sobald er hereingelassen wird. Wie war das doch noch gleich mit den Deutschen Christen in der Nazizeit? Schon vergessen? Die Jugendkammer beweist mit ihrem Positionspapier: Die Jugend hat im Geschichtsunterricht besser aufgepasst als die vergesslichen Erwachsenen in den kirchenleitenden Positionen.

Hartmut Grajetzky, Bochum