Von Karin Ilgenfritz
Ein Mensch wird geboren. Vom ersten Tag an wird er älter. Anfangs ist das Älterwerden toll, weil sich der Mensch neue Welten erschließt, das Leben liegt vor ihm – es scheint ein Land ohne Grenze zu sein. Doch irgendwann wird das Älterwerden für viele ein Problem. Irgendwann ist klar, dass die meisten Jahre gelebt sind. Körperliche Einschränkungen, Einsamkeit, Angst vor dem Tod können einem das Altwerden schwer machen.
Das Altwerden hat auch viele Vorteile
Aber das muss nicht so sein, sagt Uwe Böschemeyer in seinem neuen Buch. Ironischerweise trägt es den Titel „Wie Sie beim Altern ganz sicher scheitern“. Der Psychotherapeut und Autor – Jahrgang 1939 – sieht durchaus realistisch, was Menschen mit zunehmendem Alter zu schaffen machen kann. Aber er sieht auch Vorteile. „Zugegeben, mein Körper altert. … Mein Geist aber altert auf seine eigene, ganz besondere Art. Er wird weiter, weiser, tiefer, großzügiger, ja, und lebendiger.“ Er sei gelassener und lache mehr, weil er vieles nicht mehr so ernst nehme. Gleichzeitig kenne er auch die Müdigkeit, wenn Dinge von ihm erwartet werden, die er lieber Jüngeren überließe. Oder wenn die Nachrichten aus aller Welt nur negativ zu sein scheinen. Dennoch sagt er: „Ich wünsche mich nicht in frühere Zeiten zurück, weil ich meinem Leben heute viel näher bin als früher.“
Loslassen bekommt mit den Jahren mehr Bedeutung
Er fragt seine Leserinnen und Leser: Woran denken Sie beim Älterwerden? Böschemeyer rät: Vertreiben Sie die dunklen Gedanken nicht. Versuchen Sie, eine bekömmliche Einstellung dazu zu finden. Jede Zeit im Leben ist wertvoll. Keine ist besser als die andere, keine birgt mehr Glück oder Unglück. Nicht die Zeit entscheidet, wer wir sind und wie wir leben, sondern unsere Einstellung. Die wichtigste Aufgabe beim Älterwerden ist es, die verbleibenden, veränderten und neuen Möglichkeiten zu sehen und ein „Ja“ zu dieser Lebenszeit zu finden. Eine wesentliche Voraussetzung dazu sieht der Psychotherapeut darin, von der vorausgegangenen Lebensstufe Abschied zu nehmen, loslassen zu können. „Menschen entdecken, dass sie in dem Maße, in dem sie loslassen können, neue Freiheiten entdecken“, so der Autor.
Loslassen einerseits. Andererseits Ausschau halten nach dem, was dem Leben Sinn und Halt gibt. Von sich selbst berichtet Uwe Böschemeyer: „Nichts bewegt mich im Grunde mehr, nichts zieht mich mehr nach vorn, nichts fordert mich mehr heraus als der Wunsch, sinnvoll zu leben.“ Dieser Wunsch nach Sinn ist der stärkste aller Wünsche. Man kann ihn überhören oder sich ihm verweigern. Aber auslöschen kann man ihn nicht. Ein Mensch, der keinen Sinn in seinem Dasein sieht, läuft Gefahr, beziehungslos zu werden und immer mehr um seine Mängel zu kreisen. Aggressivität, Depression, Angst, Lebensmüdigkeit können die Folge sein.
Nicht zu viel in den eigenen Körper hineinhören
Es kommt nicht primär auf die eigene Vergangenheit oder die Gegenwart an, nicht auf das, was war oder was heute das Leben zu bestimmen scheint. Sondern es kommt darauf an, „ob ich leben will, ob ich Ja zum Leben sage, was immer auf mich zukommt. Ob ich bereit bin, immer wieder selbst der Entscheidende in meinem eigenen Leben zu sein“. Ihm selbst ist klar geworden: „Ich kann tatsächlich an meinem Alter scheitern, aber ich muss nicht an meinem Alter scheitern.“ In seinem Buch gibt er konkrete Hinweise, wie man beim Altern scheitern kann – oder auch nicht. Beispiel Gesundheit. Man kann jammern: „Ständig schmerzt mein Körper irgendwo.“ Oder man kann sich klarmachen: „Solange ich morgens aufwache und irgendwo ein Schmerz zuckt, merke ich, dass ich noch lebe.“ Böschemeyer rät, sich nicht zu viel mit Schmerzen und Krankheiten zu befassen. Seine Erfahrung: Je mehr die Gedanken darum kreisen, desto schlimmer wird es. Anders sieht das bei Krankheiten aus, deren Ursache man unbedingt wissen muss, damit Heilung möglich wird.
Ein anderes Beispiel ist die Vergangenheitsbewältigung. Wer sich bemüht, alles Schmerzhafte auszublenden und zu vergessen, ist auf dem richtigen Weg – wenn er beim Altern scheitern möchte. Wenn nicht, dann sollte er sich bewusst von dem, was geschmerzt hat, verabschieden und dem Vergangenen mit Würde begegnen.
Sich fordern, aber nicht überfordern
Denn auch wenn Ereignisse lange her sind, so können die damit verbundenen Gefühle immer noch aktiv sein. „Wenn ich mich mit meinem vergangenen Leben aussöhne, dann versöhne ich mich auch mit mir selbst“, schreibt Böschemeyer.
Zur Versöhnung gibt es drei Punkte zu beachten: Mir klarmachen, was der Groll dauerhaft mit mir anrichtet. Mich darauf besinnen, dass kein Mensch nur gut oder nur böse ist –auch ich nicht. Die Sehnsucht nach Frieden zulassen und sich klarmachen, dass es etwas Größeres gibt als Recht und Gerechtigkeit: Frieden, Güte, Liebe.
Weitere Tipps, um eben nicht beim Altern zu scheitern, lauten etwa: Bleib neugierig. Es gibt immer etwas Neues um uns herum, es will entdeckt werden. Fordere dich körperlich heraus – welche Aktivität ist möglich und macht Spaß? Auch der Geist will gefragt sein. Setze dich mit Lebensthemen auseinander, frage nach dem, was dein Leben, vielleicht deinen Glauben ausmacht. Auch Einsamkeit, Sexualität und Partnerschaft im Alter lässt Uwe Böschemeyer nicht aus.
Seine wichtigste Botschaft jedoch ist die: Jeder Mensch kann auf positive Weise altern. Er hat es selbst in der Hand.