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Die Goldene Bulle in 3D

Sie schlummert fast immer im Tresor des Landesarchivs Baden-Württemberg: Die Goldene Bulle – eines von weltweit sieben Exemplaren des „Grundgesetzes“ von 1356, das zum Weltdokumentenerbe der Unesco gehört. Die Goldene Bulle war von 1356 an das wichtigste Verfassungsdokument des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation bis zu dessen Ende im Jahre 1806.

Dieser historische Schatz wird derzeit im Hauptstaatsarchiv Stuttgart mit einer neuen Scanner-Technologie 3D-digitalisiert – ebenso wie insgesamt rund 20 Objekte des Landesarchivs. Zum Beispiel erhalten die Mini-Fußballschuhe mit den Unterschriften der Weltmeister-Elf von 1954 einen digitalen 3D-Klon, ebenso Uhr und Zylinder von Leo Wohleb, der von 1947 bis 1952 letzter Staatspräsident von Baden war. Und auch die Pistolen, mit denen ein Attentäter 1861 den preußischen König Wilhelm I. (1797-1888) während eines Kuraufenthaltes in Baden-Baden töten wollte, sind darunter.

Man wolle diese Unikate nicht nur bewahren, sondern auf höchstem technischen Niveau der Öffentlichkeit vermitteln, sagte Peter Rückert, Leiter des Hauptstaatsarchivs, am Mittwoch in Stuttgart. Dabei müsse natürlich beachtet werden, die Unikate beim Scan besonders vorsichtig zu behandeln, damit sie keinen Schaden nehmen.

Technische Unterstützung erhält das Landesarchiv bei der 3D-Digitalisierung durch eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung (IGD), Verus Digital aus Darmstadt. Ein von der IGD entwickelter Roboterarm erfasst die Objekte, die auf einem Drehteller liegen, von allen Seiten und überträgt den jeweiligen virtuellen Klon auf rechenstarke Computer – inklusive Farbe und Textur.

Ein bis zwei Stunden benötige der Scanprozess pro Objekt, um belastbare Messdaten zu erhalten, erklärte Martin Schurig von Verus Digital. Insgesamt rund 1.000 bis 1.500 Fotos würden pro Objekt gemacht. Schritt für Schritt müsse das System, das mit Künstlicher Intelligenz arbeite, lernen, wie das Objekt aussieht. Es plane selbst den Prozess, welche Bilder noch benötigt werden, um genügend Daten zu erhalten, damit der Scan den hohen Standards von wissenschaftlicher Forschung entspreche.

Die Rohdaten, jeweils um die 150 Gigabyte, würden dann weitere 10 bis 15 Stunden final berechnet und auf ein bis zwei Gigabyte herunterskaliert. Die fertigen 3D-Modelle sind in rund zwei Monaten über den digitalen Katalog der Landesbibliothek für alle Interessierten zugänglich. Der Zylinder von Leo Wohleb ist bereits gescannt: Alle Falten und Gebrauchsspuren im Hut sind gut zu erkennen – und sogar das innen angebrachte Schild des Hutmachers Trescher aus Freiburg.

Wolfgang Krauth, Referatsleiter Audiovisuelles und digitales Archivgut des Landesarchivs, sagte, es sei ohne Weiteres möglich, die 3D-Scans zu drehen, für Augmented Reality zu verwenden, sie in Videospiele einzubetten oder sie auch 3D auszudrucken, um sie als Duplikate anfassen zu können. „Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt.“ Er gehe davon aus, dass sich 3D-Scans in den nächsten Jahren in Museen und Archiven etablieren werden. Dies sei nach den Scans in 2D der logische nächste Schritt. (0102/17.01.2024)