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Die gesellige Gottheit

Vater, Sohn und Heiliger Geist – der Inhalt des Trinitatis-Sonntags macht viele ratlos. Der Theologe Andreas Goetze meint: An die „Trinitätslehre“ muss man nicht glauben, aber man sollte sie als „Grammatik des Glaubens“ achten

Es ist etwas Erstaunliches passiert. Die ersten Christen hatten etwas, oder besser: jemanden erlebt: die Person Jesus von Nazareth, sein Leben, seine Worte und Taten, seine Kreuzigung und Auferstehung. Sie haben durch Jesus erlebt und erfahren, wie der Gott Israels aus lauter Barmherzigkeit die Völkerwelt mit hineinnimmt in seine Liebe, in seinen ewigen Bund. So begann nach Ostern der Glaube an Jesus als den Christus, als den Messias Gottes, als die menschenfreundliche, der Welt zugewandte Seite Gottes. Der Schöpfer der Welt ist zugleich der Erlösende, der Hass in Liebe, Resignation in Hoffnung verwandelt. Und der zugleich durch seine Geistkraft Vergebung ermöglicht und Gemeinschaft stiftet.

Es geht um Beziehung und Berührung

Ein dreifaches Klangbild: Trinität beschreibt die „gesellige Gottheit“ (Kurt Marti). Es geht um Beziehung, Berührung, um Beziehungsvielfalt, um Zuwendung zum Kosmos, zum Menschen. Damit ist nicht an die „Trinitätslehre“ zu glauben, sondern die Rede von der „Dreieinigkeit Gottes“ möchte uns gewinnen, dass wir möglichst genau von dem einen (!) Gott reden. Die Zusammenschau ist entscheidend. Vater – Sohn – Geistkraft (Heiliger Geist): Gottes schöpferisches und sein heilendes, versöhnendes Handeln gehören zusammen. Seid geistesgegenwärtig, trennt das nicht, denn Gott gibt seine Welt und seine Menschen nicht auf. Das sei allen Extremisten, allen Apokalyptikern gesagt, die geistlos das Ende der Welt heraufbeschwören und alle in den Abgrund ziehen wollen.
Im interreligiösen Dialog stößt die Wortwahl „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ auf Missverstehen. Das klingt für Juden und Muslime nach einer Aufweichung des Bekenntnisses zu dem einen Gott und darüber hinaus zu „biologistisch“ – als hätte Gott „Lust verspürt“ wie Zeus in der griechischen Mythologie und wäre mal kurz auf die Erde herniedergefahren und hätte einen „Sohn gezeugt“. Wird aber die Trinitätslehre als „Grammatik des Glaubens“ an den einen Gott ernst genommen, wird deutlich: Es geht um drei „Klangbilder“ oder „Bildfelder“ (Ingolf Dalferth), die auf das letztlich unergründliche Geheimnis des einen Gottes in seiner Fülle weisen: Um das „Bildfeld Vater“als Schöpferische Kraft Gottes, transzendenter Gott, Erwählender Gott Israels. Gott und Welt bleiben unterschieden. Um das „Bildfeld Sohn“ als liebende Zuwendung Gottes, Mitleidender. Jesus Christus als die weltzugewandte Seite Gottes. Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes. Gott und Welt sind aufeinander bezogen. Um das „Bildfeld Geist“: Gegenwart Gottes, Heilender, Tröster. Geschenk, „geistes-gegenwärtig“ zu leben. Geistkraft, die die Welt verwandelt, Vergebung und Vollendung.

Gegen die einseitige Rede von Gott

Die Rede von „Vater“, „Sohn“ und „Geistkraft“ ist entsprechend ein Wegweiser zu einem tieferen Verstehen dieses einen Gottes. Wenn in christlicher Perspektive von Gott geredet bzw. Gott als der Dreieinige gelobt wird, dann genau im Horizont dieses dreifachen „Klangraumes“. Wenn eines davon nicht zur Sprache gebracht wird, hat das Konsequenzen. Betont man besonders das „Bildfeld Vater“, dann wird die Jenseitigkeit Gottes einseitig hervorgehoben. Gott käme wohl als Schöpfer zur Sprache, aber mehr ließe sich über Gott nicht erzählen. Eine Beziehung zu ihm wäre nicht möglich. Betont man einseitig das „Bildfeld Sohn“, verschwimmt entweder die Differenz zwischen Gott und Gottesgedanke („Jesus ist Gott“) oder Jesus wird nur als ein „Prophet“ oder ein vorbildlicher Mensch angesehen (ethische Variante). Wird besonders auf das „Bildfeld Geist“ geblickt, besteht die Gefahr, Gott und die Welt gleichzusetzen und alles und jedes mit Gott zu identifizieren (Pantheismus).
Die Trinitätslehre als „Grammatik des Glaubens“ bringt die Dimensionen der verschiedenen „Bildfelder“ in eine Balance. Im Gespräch mit Juden und Muslimen werden Christen daran erinnert, das christliche Bekenntnis zu dem einen Gott klar durchzuhalten, wie es schon Paulus, verbunden mit der jüdischen Tradition, getan (1. Kor. 8, 4-6) und die altkirchliche Tradition entsprechend aufgenommen hat: „Wir beten zu dem einen Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist“. Das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem „Sohn Gottes“ ist eben eine theologische Aussage, die festhält: Jesus als der Christus ist die weltzugewandte Seite Gottes. Wer Jesu Leben von Geburt bis zu seiner Auferstehung sieht, wird darin Gottes Wirken ansichtig.

Ein dreifacher „Klang Gottes“

Die „Trinitätslehre“ hat nur ein Ziel: Uns zu ermuntern, Gott als den Dreieinigen, als Vater, Sohn und Geistkraft zu loben. Dieser dreifache „Klang Gottes“ möchte uns berühren, unser Herz erreichen, dass wir selbst singen und Gott in unserem Leben, in unserem Handeln nachklingt. Und wir werden mit Hilfe dieser drei „Bildfelder“ oder „Klangbilder“ oder Seiten Gottes aufgefordert, Gott nicht in ein uns passendes Schema zu pressen, sondern immer wieder neu von der Fülle zu erzählen – aber dies sehr konkret: Von dem Gott, der Liebe ist und der nicht nur sagt, dass er Liebe will. Gott über uns, immer neu und schöpferisch: Es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, als wir ahnen. Gott bei uns und mit uns: In Gottes Augen gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Gott in uns: Kraft, die belebt, begeistert.

Dr. Andreas Goetze ist Landespfarrer für den interreligiösen Dialog der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.