Einen neuen Lehrplan zur Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden hat die Evangelische Kirche von Westfalen vorgelegt. Er ersetzt den Plan aus dem Jahre 1987 und hat eine vollkommen überarbeitete Struktur. Im Unterschied zum alten Lehrplan sind nicht alle aufgeführten Themen zu bearbeiten. Vielmehr sollen Schwerpunkte im Blick auf die jeweilige Gruppe gesetzt werden. Über das, was neu ist, und über Erwartungen, die die Autoren und die Landeskirche mit der Neufassung verbinden, sprach Annemarie Heibrock mit Thomas Böhme, Pfarrer und Dozent am Pädagogischen Institut der Evangelischen Kirche von Westfalen. Böhme ist dort zuständig für die Aus- und Fortbildung von Vikaren und Pfarrern sowie für die Beratung zur Konfirmandenarbeit. Außerdem ist er Mitautor des Lehrplans. Zum 1. September wechselt Böhme zum Comenius-Institut nach Münster, wo er eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Gemeindepädagogik antritt.
• Nach fast 30 Jahren ein neuer Lehrplan für die Konfirmandenarbeit. Das war wohl dringend überfällig?
In der Tat. Denn die Lebenssituation der Jugendlichen hat sich in den vergangenen 30 Jahren deutlich geändert. Ebenso wie die Situation in den Gemeinden. Die Konfirmandenarbeit ist vielgestaltiger geworden.
• Immerhin ist die Arbeit mit Konfirmandinnen und Konfirmanden die wichtigste Form der kirchlichen Nachwuchsarbeit.
Ja. Wir erreichen gut 90 Prozent aller evangelisch Getauften – so viele wie mit keinem anderen kirchlichen Angebot. Insofern ist und bleibt der Konfirmandenunterricht eine zentrale Aufgabe für die Bildung und religiöse Sozialisation.
• Die allerdings in eine schwierige Lebensphase der jungen Menschen fällt…
… in eine schwierige, aber auch entscheidende Lebensphase, in der sich Festlegungen für das spätere Leben vollziehen.
• „Gemeinsam auf der Suche nach einem Leben mit Gott“ ist der Titel des Lehrplans. Präses Annette Kurschus aber schreibt selbst im Vorwort, kein Erwachsener könne „den Glauben hervorrufen, den wir den Konfirmandinnen und Konfirmanden so sehr wünschen“. Was können Sie denn erreichen?
Wir können die Kinder und Jugendlichen berühren. Wir können ihnen Erfahrungen ermöglichen mit Religion, mit dem christlichen Glauben und – zugespitzt formuliert – mit dem christlichen Glauben evangelischer Prägung. Das Auswendiglernen von Texten reicht heute nicht mehr aus. Wichtig ist, die Mädchen und Jungen zu beteiligen, sie mitgestalten zu lassen und ihnen nicht nur Anwesenheitspflicht zu verordnen. Zum Beispiel beim Gottesdienst. Im Konfirmandenunterricht selbst müssen wir mit den Heranwachsenden beten und singen, und wir müssen ihnen helfen, eigene Ausdrucksformen zu finden. Dafür liegt eine besondere Chance in den Freizeiten oder Konfi-Camps: Die Erfahrung zeigt ja, dass da, wo die Jugendlichen längere Zeit mit den Pfarrerinnen und Pfarrern und mit den Konfi-Teams zusammenleben, sich solche Dinge im Miteinander wunderbar entwickeln. Für ein gelingendes Miteinander finden sich im Lehrplan auch Anregungen und Hinweise.
• Das gemeinsame Tun und Erleben hat an Bedeutung gewonnen. Soll überhaupt noch was gelernt werden?
Sicher. Das steht außer Frage. Aber einen festen Kanon von auswendig zu lernenden Stoffen gibt es nicht. Das war auch schon im Lehrplan von 1987 so. Die Gemeinden werden in dieser Hinsicht nicht festgelegt. Aus der Beratung von Gemeinden weiß ich, dass das Vaterunser, das Glaubensbekenntnis und Psalm 23 zum festen Bestand gehören. Dazu können die Zehn Gebote kommen und einige Lieder. Bei allem steht nicht das stumpfe Auswendiglernen im Vordergrund. Wichtig ist, mit den Texten etwas zu „machen“, den Umgang mit ihnen einzuüben. Das gilt besonders für die Gebete, die wir immer wieder sprechen müssen. Und über die wir mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden natürlich auch sprechen müssen.
• In Grundzügen skizziert – was sind die wesentlichen Neuerungen des Lehrplans?
Die erste Neuerung ist mit dem Begriff Lernchancen umrissen. Dabei geht es weniger um Lerninhalte als um eigene Erfahrungen der Jugendlichen mit dem christlichen Glauben. Die zweite Neuerung betrifft die Gemeinden. Sie selbst erhalten mehr Freiheit in der Zusammenstellung der „Bausteine“ des Konfirmandenunterrichts und der jeweiligen Schwerpunktsetzung. Also: Nicht alles, was vorgeschlagen wird, muss überall gemacht werden. Dazu kommt, dass es in jedem inhaltlichen Kapitel auch besondere Hinweise zur Vorbereitung in einem Team gibt. Es ist ja in vielen Gemeinden mittlerweile Standard, dass der Konfirmandenunterricht nicht mehr allein vom Pfarrer/von der Pfarrerin verantwortet wird, sondern von einer Gruppe engagierter Jugendlicher und Erwachsener. Dazu wollen wir auch ermutigen. Außerdem enthält der neue Lehrplan Hinweise für den so genannten „KU 3“. Das ist für Gemeinden wichtig, die mit dem zweiphasigen Unterrichtsmodell – ein Jahr in Klasse 3, ein Jahr in Klasse 8 – arbeiten. Das sind in Westfalen etwa 17 bis 18 Prozent.
• Trägt der Lehrplan auch der Situation Rechnung, dass die Kinder durch den verbreiteten Nachmittagsunterricht weniger Zeit haben?
Das ist eine Frage der Organisation der Konfirmandenzeit. Der Lehrplan sieht keine Reduzierung von Themen vor. Es gibt aber, wie gesagt, die Möglichkeit für die Gemeinden, aus den Themen auszuwählen und an verschiedenen Stellen auch kompakter zu arbeiten. Die Rahmenordnung für die Konfirmandenarbeit eröffnet die Möglichkeit, die Konfirmandenzeit über ein Jahr konzentriert und die übrige Zeit offener zu gestalten.
• Eine aktuelle Schwierigkeit dürfte doch wohl sein, dass die Kinder von zuhause immer weniger an christlicher Vorbildung mitbringen. Gibt der Lehrplan in dieser Hinsicht Empfehlungen?
Für viele Kinder findet im Konfirmandenunterricht die erste Begegnung mit Religion statt. Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass Grundlagenwissen wie „Was ist ein Gebet“ oder „Was passiert im Gottesdienst“ vorhanden ist. Das genau ist der Hintergrund für die Entscheidung, den Kindern mehr religiöse Erlebnisse und Erfahrungen zu ermöglichen. Erfahrungen, die Kinder früher im Elternhaus machen konnten. Ich bin im Übrigen überzeugt davon, dass die Bedeutung des Glaubens nicht so abgenommen hat wie seine Praxis. Viele Eltern sehen im Glauben durchaus Positives, aber sie können nicht darüber sprechen, weil sie das Thema für zu persönlich halten und weil sie oft nicht die richtigen Worte finden.
• Mit welcher Akzeptanz für den neuen Lehrplan rechnen Sie in der Pfarrerschaft und in den Gemeinden?
Dass wir nicht alle erreichen, ist uns durchaus bewusst. Wir werden aber die Menschen erreichen, die bereit sind, sich auf Neues einzulassen. Und das sind nicht zu wenige. Außerdem sind da noch die jungen Leute. Ich bin in der Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern tätig, da erlebe ich ein hohes Maß an Interesse an der Neuausrichtung in der Konfirmandenarbeit, vor allem an den modernen erlebnisorientierten didaktischen Ansätzen.