Hamburg (epd). Die Stahl-Silhouetten der Beatles an der Reeperbahn gehören mittlerweile zu den begehrtesten Fotomotiven für Touristen in Hamburg. Nur 250 Meter entfernt hatten die Liverpooler Jungs vor 60 Jahren, am 17. August 1960, ihren ersten Auftritt in Hamburg: Im Indra-Club an der Großen Freiheit, der mittlerweile wieder so heißt, begann der Aufstieg der späteren Pilzköpfe.
Von dem legendären Beatles-Sound ist im Sommer 1960 noch nichts zu hören: Sie spielen Rock'n Roll, Tanzmusik und Lieder, die ihnen so einfallen. Die Musik sei mäßig gewesen, und ihr Programm mussten sie sich mit einer Stripperin teilen, erinnert sich später Barfrau Rosi McGinnity. Die zappelnden Jungs in ihren Lederklamotten schreien beim Singen so laut, dass sie sich abwechseln müssen, um ihre Stimmen zu schonen. «Macht Schau» ist die klare Ansage des Clubbesitzers, der sie aus Liverpool geholt hatte. 30 Mark gibt es pro Abend für vier bis sechs Stunden Auftritt.
Nur mit viel Wohlwollen erkennt man heute in den stählernen Beatles-Silhouetten-Skulpturen die einzelnen Musiker. Beim Schlagzeuger ist die Undeutlichkeit sogar erklärte Absicht: Bei den ersten Konzerten 1960 trommelt noch Pete Best, der dann im Sommer 1962 von Ringo Starr ersetzt wird. Neben den «Fab Four» steht etwas abseits noch ein fünfter Beatle: Bassist Stuart Sutcliffe bleibt nach den ersten Auftritten bei seiner neuen Freundin in Hamburg, der Beatles-Fotografin Astrid Kirchherr. Dort stirbt er 1962 mit 21 Jahren an einer Hirnblutung.
Nach dem Indra-Club treten die Liverpooler Musiker im Kaiserkeller an der Großen Freiheit auf, den es bis heute gibt. Sie leben in zwei Räumen hinter dem Bambi-Kino am Ende der Großen Freiheit. «Aufgewachsen sind wir nicht in Liverpool, sondern in Hamburg», sagt John Lennon später. Das Kino existiert nicht mehr, aber eine kleine Gedenktafel erinnert an die berühmten Gäste.
Ihre Frisuren bei den ersten Konzerten erinnern mehr an Elvis Presley als an die späteren «Pilzköpfe». Erst ein Jahr später soll Astrid Kirchherr ihrem Freund Stuart Sutcliffe die erste Pilzkopffrisur (englisch: moptop) geschnitten haben. Vorbild war Jürgen Vollmer, ein Freund der Musiker-Clique. George Harrison findet gleich Gefallen daran. Später lassen sich auch John Lennon und Paul
McCartney die Haare entsprechend schneiden.
Doch Ende 1960 müssen die Jungs zurück nach England. George Harrison wird ausgewiesen, weil er erst 17 ist. Paul McCartney und Pete Best wird vorgeworfen, sie hätten ihre Unterkunft anzünden wollen. Auf diese Weise lernen sie Anfang Dezember Hamburgs berühmte Davidwache auch von innen kennen. Anschließend werden auch sie wegen fehlender Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen ausgewiesen.
Im April 1961 kehrt die Band zurück an die Elbe, um bis Anfang Juli im Top Ten Club (heute: Moondoo) an der Reeperbahn zu spielen. Dreimal gastieren die Beatles 1962 für ein paar Wochen im legendären Star-Club an der Großen Freiheit, wo später auch Spooky Tooth, Taste, Yes und Ozzy Osbourne auftreten. Das Leben in Hamburg ist für die Beatles jetzt wesentlich komfortabler. Jeder verdient inzwischen 500 Mark pro Woche.
Ohne es zu wissen, haben sie einen berühmten Gast: Mit 95 Jahren erinnert sich Altkanzler Helmut Schmidt (1918-2015) an ein Konzert der Beatles im Star-Club. «Ich fand die ganz gut,» urteilt er norddeutsch knapp. Und es gibt noch eine weitere Verbindung: 1981 kommt der passionierte Pianist Helmut Schmidt in London mit Christoph Eschenbach und Justus Frantz zusammen, um ein Konzert für drei Klaviere aufzunehmen. Ort des Treffens ist das Beatles-Studio Abbey Road.
Ende 1962 beginnt der weltweite Erfolg. Am 5. Oktober 1962 wird die Single «Love me do» veröffentlicht – der erste von mehr als 1,3 Milliarden Tonträgern bis heute. Es folgt eine Welle der Begeisterung und Hysterie, voller Schlagzeilen und Superlative. Die Titel ihrer zahlreichen Hits kann man auf dem Boden rund um die Beatles-Silhouetten am Hamburger Kiez nachlesen.
Als die Beatles vier Jahre später während ihrer Deutschland-Tournee wieder nach Hamburg kommen, brauchen sie Polizeischutz. Zwei Konzerte geben sie am 26. Juni 1966 in der Ernst-Merck-Halle. Während drinnen die Fans lustvoll kreischen, versucht die Polizei draußen mit Wasserwerfern die Beatles-Begeisterten in Schach zu halten, die kein Ticket bekommen haben. Es werden Schaufenster eingeschlagen, die Polizei setzt Gummiknüppel ein. Am Ende werden mehr als 100 Festnahmen und 8 verletzte Polizisten vermeldet.
Aber noch etwas anderes macht die Deutschland-Tournee vom Sommer 1966 so besonders: Nur wenige Wochen später, am 29. August, treten die Beatles in San Francisco auf – es ist ihr letztes gemeinsames Konzert vor Publikum.